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■ Die Union will NS-Deserteure nicht entkriminalisierenUrteilsschelte und Mörderschonung

Zwei Debatten zu Urteilen deutscher Richter über Soldaten haben die Bundestagsabgeordneten in der letzten Sitzung vor der Wahl am 16. Oktober geführt. Das eine Urteil ist wenige Tage alt, die anderen liegen ein halbes Jahrhundert zurück: Das Bundesverfassungsgericht (BVG) bescheinigt einem Aufkleber mit Tucholsky-Zitat, er sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Die NS-Militärjustiz hat rund 30.000 Todesurteile wegen Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung verhängt. Etwa 20.000 dieser Todesurteile wurden vollstreckt. Die Debatte über das eine Urteil ist durch eine seltsame, aber bewußt geschürte Hysterie geprägt, die andere durch Kälte und taktisches Vorgehen. Die Regierung hat das BVG-Urteil wider besseres Wissen genutzt, um einen Gegner erst aufzublähen und dann niederzumachen. Denn Entrüstung kommt gut im Fernsehen.

Der Streit um die Rehabilitierung der Deserteure, der im Plenarsaal kurz vor Mitternacht ausgetragen wurde, mobilisierte wenig öffentliches Interesse und nur wenige Emotionen. „Skandal“ (Rühe über das BVG-Urteil) schrie niemand. Um die Rehabilitierung dieser Opfer wird gegen den Widerstand der Union schon seit Jahren gerungen. Weil sie argumentativ in der Defensive ist, brachte die Union einen eigenen Vorschlag ein. Der verwässerte das Anliegen und enthält nicht die Klarstellung, wonach die Urteile der Militärjustiz grundsätzlich Unrechtsurteile waren.

Nun haben die Konservativen den Antrag der Opposition wieder an den Ausschuß abgeschoben, das bedeutet: Unrecht bleibt Recht. Dahinter steckt ein Kalkül: Bloß nicht die Empfindlichkeiten der Kriegsteilnehmer verletzen! Die würden mit der Entkriminalisierung der Deserteure pauschal verurteilt, heißt die CDU-Warnung.

Würden sie das? Wären sie alle Mörder, weil die NS-Militärjustiz als Instrument der Durchsetzung der verbrecherischen Ziele des NS-Regimes benannt würde? Weil diejenigen entkriminalisiert würden, die sich der Kriegsmaschinerie entzogen und die Teilnahme an Verbrechen verweigerten?

Aus Rücksicht auf die Traditionalisten unter ihren Wählern verwirrt die Union die Begriffe. „Vielleicht spielt in dieser Debatte eine Rolle, daß die Soldaten der Bundeswehr empfindlicher gegen Anwürfe sind als die Soldaten anderer Länder“, sagte der SPD-Abgeordnete Schmude. Da sie in der Tradition der deutschen Geschichte stehen, ist das nicht verwunderlich. Aber wer beansprucht, Frieden zu verteidigen, muß sich zu dieser Geschichte eindeutig verhalten. Hysterische Urteilsschelte, Richterschelte und taktische Mörderschonung befördern das Gegenteil. Hans Monath

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