: Die Union hat was gelernt
Gastbeitrag zur Integrationspolitik von SEMIRAN KAYA
Wenn Deutschland Papst wird, ist der Katholizismus doch überlegen, muss sich Jürgen Rüttgers gedacht haben, als er sich in einer Talkshow zu dieser These verstieg. Dass Nordrhein-Westfalens knapp zwei Millionen Menschen mit einem ausländischen Pass davon befremdet sein könnten, das mag für den CDU-Spitzenkandidaten ein kalkulierbares Risiko gewesen sein: Sind Muslime, Osteuropäer und Spätaussiedler nicht ohnehin wertkonservativ?
Die CDU hat in ihrer Zeit auf der Oppositionsbank dennoch etwas gelernt. Kurz vor der Landtagswahl präsentierte sie ein „7-Punkte-Programm für eine erfolgreiche Integrationspolitik“. Ob es sich um Sprachprobleme im Kindergarten, ob um Ausbildungsplätze, Wohnverhältnisse, die politische Partizipation oder die Kultur der Migranten handelt – die NRW-CDU will überall, wo es hakt, tatkräftig die Ärmel hochkrempeln. Sogar die Parallelgesellschaften will sie am liebsten gleich auflösen. Es scheint, als habe sie erkannt, dass Integration keine Einbahnstraße ist. Erstaunlicher ist, dass die Union Integration neuerdings als eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe versteht.
Schnell wird allerdings klar, wo die Unionsmitglieder stehen: Nämlich am Anfang aller Diskussionen: “Wir müssen Ausländer endlich integrieren.“ – Dass die „Ausländer“ mittlerweile bei „Migranten“ angekommen sind, haben sie wohl verschlafen. Wenn also die Integrationsabsichten ernst gemeint sind, dann müsste sich die CDU endlich für ein Kommunalwahlrecht der Migranten ohne deutschen Pass einsetzen. Und sie müsste den Migranten versichern, dass wichtige Institutionen, wie die eines Landes-Integrationsbeauftragten und des Migrationsausschußes im Landtag nicht zur Disposition stehen. Denn nur mit diesen, von der SPD eingerichteten, Institutionen kann die Integration tatsächlich zur Querschnittsaufgabe werden.
Zwar schafften die Sozialdemokraten mit der Einrichtung der Integrations- und Migrationsräte auf kommunaler Ebene endlich die verstaubten Ausländerbeiräte ab. Doch im Migrationsausschuss der Städte sitzen, so zum Beispiel in Essen und Solingen, noch häufig genug nur deutsche Fraktionsmitglieder. So funktioniert die Förderung von Migranten leider nicht. Überhaupt bietet die SPD ein schwaches Bild: Bei einer de facto Abschaffung der beruflichen Weiterbildung durch die Bundesagentur, fragen sich die 18 Prozent der Migranten, die arbeitslos sind, wie eine SPD “ein soziales NRW schaffen“ will.
Auch wenn vielen bewusst ist, dass es unter einer schwarz-gelben Regierung noch weniger Austausch mit Deutschen auf gleicher Augenhöhe geben wird. Oder der muttersprachliche Unterricht in NRW womöglich wie in Bayern nur von Lehrern erteilt wird, die für fünf Jahre aus der Türkei geschickt werden. Oder so manche Integrationsarbeit zukünftig entweder bedeutungslos gemacht oder zu Tode administriert wird: Etliche Migranten vertrauen dennoch der CDU. – Mit der Absicherung, dass eine Kontinuität der Integration durch die Bundesregierung gegeben sein wird. Außerdem hat die CDU insgesamt in den letzten Oppositionsjahren dazugelernt. Und Rüttgers kann sich freuen, einen gewissen Anteil daran zu haben. Viele Impulse innerhalb der CDU, sich für die Migranten zu öffnen, kamen aus der CDU in NRW. Hätte es nicht die Debatte um die EU-Mitgliedschaft gegeben, so würden viele Migranten die CDU ohne zu zögern wählen. Allein schon deshalb, weil sie an den Schulen keine Kopftücher will. S. Kaya ist freie Journalistin