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■ Die USA und die angekündigte Haiti-InvasionAlle wissen mehr

Kriege sind schmutzig und ein Verbrechen. Menschenschlachtereien, so die bisher gültige Wahrheit, eignen sich nur ungenügend zur Selbstdarstellung des Militärs. Wer mag schon bei einer Armee anmustern, wenn deren blutiges Handwerk in Realität gezeigt wird? Deshalb haben die obersten Heerführer und ihre Werbeagenten hübsche Filmchen und schöne Sprüche („Ja, helfen“) erfunden, auf daß aus Nahkämpfern Krankenschwestern und aus Bomberpiloten Friedensengelchen werden. In der Realität aber stören Kameramänner und Reporter – siehe das Aussperren der Presse beim Golfkrieg.

Kriege sind geheim. Wann es losgeht, vom Warum ganz zu schweigen, steht in fünffach kodierten Geheimbotschaften, die selbst Außenminister nicht zu entschlüsseln vermögen. Denn selbst die könnten ja – man weiß es nie – Agenten des Feindes sein, und Aufmarsch- und Schlachtpläne noch schnell vorher verraten.

Kriege sind schön. Jedenfalls immer dann, wenn man gewonnen hat. Dann gibt es Konfettiparaden und Siegesfeiern. Die heimkehrenden Soldaten werden bejubelt und von den Angehörigen begeistert begrüßt, und die Särge der Kämpfer, die es durch „friendly fire“, also den versehentlichen, „freundlichen“ Beschuß durch die eigenen Streitkräfte dahingerafft hat, werden durch den Hintereingang nach Hause gebracht.

Kriege sind unangenehm. Politiker, so die Behauptung, brechen sie in heutigen Tagen nur noch dann vom Zaum, wenn es gar nicht mehr anders geht. Früher, im Mittelalter, genügte es, daß der Vertreter der falschen Nation bei der Königskrönung das Pferd am Halfter hielt, und schon bekriegten sich Genuesen und Venetier. Heute bedarf es gewichtigerer Gründe.

Halt! Das alles gilt jetzt nicht mehr. Neue Zeiten brechen an, friedlichere für die Damen und Herren Medienvertreter, berechenbarere für potentielle Feinde. Jubeln darf man auch schon vorher und die Gründe ... na ja, da gab es schon wesentlich einsichtigere. Im heranziehenden Waffengang zwischen den USA und den Militärs auf Haiti kann man den Kriegsbeginn jedem besseren Lokalblatt entnehmen (der 21. September soll es werden). Wer Schlachtpläne wünscht, schalte CNN ein (in Berlin nur über Kabel). Auf Haiti stehen die ReporterInnen schon bereit, um den Kampf live zu übertragen. Und das beste: Es steht schon vorher sonnenklar fest, wer gewinnen wird! Deshalb könnte man in den Vereinigten Staaten auch schon jetzt jubeln – nur tut das einfach keiner!

Und da liegt der Hase im Pfeffer. Obwohl dem Publikum nun doch wirklich alles geboten wird, was es jahrzehntelang schmerzlich vermissen mußte, haben die meisten Amerikaner immer noch keine Lust auf die Show. Irgendwie kriegen es die Militärs doch nicht so richtig rüber. Irgendwie wollen die Amerikaner nicht glauben, daß diesmal nur Ketchup statt Blut fließen soll. Ob Präsident Clinton es gestern abend geschafft hat, die Nation so richtig einzustimmen? Unsere Empfehlung: Er möge doch mal bei den Genuesen und Venetiern nachschlagen, wie die das damals gedeichselt haben. Klaus Hillenbrand

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