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■ Die UNO hat in Somalia zugeschlagenDritte Schlacht um Mogadischu

Als Mogadischu zur Jahreswende 1990/91 kurz vor der Eroberung durch die jungen Guerillakämpfer des „Vereinigten Somalischen Kongresses“ (USC) stand, drohte Militärdiktator Siad Barre mit einem „Höllenfeuer“ und ließ lieber Teile der eigenen Hauptstadt von den eigenen Streitkräften in Schutt und Asche legen, als freiwillig seine Macht aufzugeben. Es nützte nichts: Siad Barre mußte fliehen, der von General Farah Aidid mitangeführte USC übernahm die Macht. Kaum ein Jahr später, im November 1991, begann die zweite Schlacht – zwischen den beiden rivalisierenden Führern des hoffnungslos zerstrittenen USC, General Aidid und „Interimspräsident“ Ali Mahdi. Bei ihrem mörderischen Kampf zerstörten ihre Armeen das, was von Mogadischu noch übrig war; der Boden war bereitet für den Einzug der US-Soldaten im Dezember 1992 und die nachfolgende Übergabe des Landes an die UNO. Somalia lag nun völlig am Boden.

Zum dritten Mal in weniger als drei Jahren entscheidet die Schlagkraft der Waffen nun über die Macht in Mogadischu. Hat Somalia also trotz aller auswärtigen Bemühungen noch immer nicht das Stadium des Bürgerkrieges überwunden? Ist auch die UNO in den Strudel der Barbarei gerutscht, der schon Hunderttausende Somaliern das Leben gekostet hat? Man kann den jetzt erfolgten Schlag der UNO gegen Aidid für notwendig halten; sein Erfolg oder gar Nutzen steht jedoch keineswegs fest. Sicher ist nur eines: Die UNO, die bisher versuchte, sich in Somalia möglichst viele Optionen offenzuhalten, hat der militärischen Durchsetzung ihres Gewaltmonopols den Platz eins auf ihrer Prioritätenliste eingeräumt und tritt damit die Nachfolge aller bisherigen somalischen Regierungen an. Die Aidid-Propaganda, wonach die UNO mit dem gestürzten Militärdiktator Siad Barre faktisch unter einer Decke stecke, erhält neue Nahrung. Eine Rückkehr Barres, dessen Anhänger den Alliierten Aidids noch immer die Herrschaft über den Süden Somalias streitig machen, ist zwar ausgeschlossen – eine Restauration des Barre-Systems jedoch erscheint unausweichlich, wenn die UNO den jetzt beschrittenen Weg weitergeht.

Siad Barres von 1969 bis 1991 währende sozialistisch verbrämte Militärdiktatur hielt sich solange, wie zwei Maximen umgesetzt werden konnten: Erstens die gnadenlose Niederschlagung jeder militärischen Herausforderung des Regimes durch Rebellen; zweitens das Monopol über Beschaffung und Verteilung ausländischer Entwicklungshilfe. Die erste Maxime bedeutete Militärdiktatur, die zweite Staatswirtschaft; beide hatten gemeinsam, daß sie auf die Ausschaltung jeder politischen oder ökonomischen Konkurrenz zum Regime zielten. Dieses System brach zusammen, als die immer stärker werdende Opposition nicht mehr zu besiegen war und als der Geldfluß aus dem Ausland immer spärlicher wurde und schließlich ganz versiegte.

Die UNO in Somalia beharrt nun genauso wie einst Siad Barre auf der Ausschaltung jeder militärischen Konkurrenz als Vorbedingung für weiteres Handeln. Sie will gewissermaßen erst einmal die gesamte politische Machtstruktur des Landes an sich reißen, um sie einer Schnellmodernisierung zu unterziehen und sie dann als demokratisch verfaßte Ordnung wieder an die Somalis zurückzugeben. Sie meint, durch einen solchen Läuterungsprozeß auch bisher untergebutterte gesellschaftliche Kräfte in Somalia freizusetzen, die dann möglichst autonom einen wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß in dem kriegszerstörten Land in Gang setzen könnten. Diese Hoffnung verkennt jedoch das Funktionieren der politischen Ordnung Somalias, in der sich Kanonen und Butter immer in denselben Händen befunden haben: Wer schießt, ist auch für das Wohlergehen derjenigen verantwortlich, in deren Namen geschossen wird. Wer A sagt, muß auch B sagen. Wer die Macht haben will, muß nicht nur stärker sein als alle möglichen Konkurrenten, sondern auch reicher.

Daß die UNO ihre somalischen Konkurrenten militärisch ausschaltet, ist also ein erster Schritt, auf den ein zweiter folgen muß. Die UNO muß nun ihre bereits formal bestehende Gesamtaufsicht über den somalischen „Wiederaufbau“ – sprich: die wirtschaftliche Entwicklung eines noch nie „aufgebauten“ Landes – politisch einsetzen, indem sie für einen großzügigen Fluß ausländischer Hilfsmittel nach Somalia sorgt, die Verteilung derselben zum Aufbau einer eigenen Klientel nutzt und damit deutlich macht, daß es sich für Somalis tatsächlich materiell lohnen kann, auf der Seite der UNO zu stehen. Es ist eine vertrackte Situation: Geht die UNO diesen zweiten Schritt nicht, bleibt ihre Mission trotz ihrer militärischen Überlegenheit unglaubwürdig – und ein von Märtyrertum zehrender, UNO-feindlicher somalischer Nationalismus wird an Boden gewinnen. Geht sie den Schritt doch, kann sie ihre Mission festigen – dann unterscheidet sie sich aber nicht mehr wesentlich von einer auf Patronage gestützten Modernisierungsdiktatur.

Daß die UNO in eine solche Zwickmühle geraten würde, konnte sie schon vor einem Jahr wissen, als zuerst eine großangelegte internationale „Rettungsaktion“ für Somalia ins Gespräch kam – hätte damals nicht in den reichen Ländern eine eigentümliche „humanitäre“ Sichtweise vorgeherrscht, wonach in Zeiten des Hungers und der Wirren die Regeln der politischen Kultur eines Landes suspendiert seien und auswärtige Friedensstifter ihr Handeln nach eigenem Gutdünken festlegen könnten. Es ist geradezu eine Erleichterung, daß sich dieser Irrtum so schnell rächt. Dominic Johnson

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