: Die Toleranz des Herrn W.
■ Statt-Partei als Voscheraus Amtshelfer? / Markus Wegner möchte unabhängige Senatoren einsetzen Von Uli Exner
Und noch einer, der auch ganz gerne mal mit der SPD .... nein, koalieren will Markus Wegner nicht mit Henning Voscherau, aber tolerieren, vielleicht den einen oder anderen Senator vorschlagen, diesen oder jenen Regierungsprogrammpunkt festzurren, diese Art der Zusammenarbeit kann sich „die Nummer eins der Statt-Partei“ schon vorstellen. „Muß es denn unbedingt rotgrün sein?“, fragt Wegner mit süffisantem Lächeln seine Zuhörer am Sonntagabend zur besten Lindenstraßenzeit im Vereinsheim des SV Lurup.
Nö, muß nicht. Falls die Meinungsumfragen zutreffen, die Wegner und seine kleinbürgerlich geprägte Truppe derzeit bei vier Prozent sehen, dann könnte am Sonntagabend auch die Statt-Partei aufs Koalitions-Karussel aufspringen, auch wenn sie's natürlich so nicht nennen würden. Unabhängige Experten will Wegner in Verhandlungen mit Voscherau als Behördenchefs installieren. Als Beispiel nennt er Ex-HfbK-Chef Carl Vogel. Den könne man sich doch als Kultursenator prima vorstellen.
Damit es so weit kommt, die Statt-Partei doch noch über die Fünf-Prozent-Hürde rutscht, redet Wegner. Und redet und redet. Fast 30 Wahlkampfveranstaltungen hat der Kleinverleger inzwischen hinter sich. Und redet. Über die undemokratischen Altparteien, die den Wähler für „viel zu dumm halten.“ Über die Medien, die die Statt-Partei ignorieren, „besonders der Springer-Verlag und der NDR“. Wegner polemisiert über unfähige Senatorinnen, „Traute Müller hat in der Stadtentwicklung von Tuten und Blasen keine Ahnung“, und umschmeichelt seine Kundschaft, „diejenigen, die sonst von den anderen ständig einen auf den Kopf kriegen“.
Wegner kommt an. Jedenfalls im holzgetäfelten Vereinsheim: „Ich kann Sie nur bestätigen“, „wahnsinnig wichtig, daß Sie gegründet worden sind“. Widerspruch regt sich kaum, gebannt verfolgen 50 „mündige Bürger“ seinen Auftritt, lassen sich schon mal sagen wo's jetzt langgehen soll mit der Diskussion: „Moment, ich will nicht, daß wir an diesem Punkt stundenlang hängenbleiben“.
„Reden Sie mit“, hat die Statt-Partei ihre Wahlveranstaltungen überschrieben. „Bürger fragen - Wegner antwortet“ wäre der treffendere Titel. Antworten, die in der Regel recht populistisch ausfallen. Zwar weist Wegner immer wieder darauf hin, daß die Statt-Partei ja gerade erst gegründet worden sei und schon deshalb nicht in der Lage sei, „fertige Lösungen“ anzubieten. Aber deshalb nichts sagen?
Nein, dann lieber drauflos: das Auto dürfe als Verkehrsmittel „nicht verteufelt“ werden, kontrollierte Drogen für Junkies sind okay, die Millionen für den Umbau der Mönckebergstraße will er auch nicht ausgeben, die Zuwendungen gehören „durchforstet“, Privatisierung „so weit wie möglich“, weniger Staatstheatersubventionen .... Der Ex-Rebell, jetzt ganz richtiger Politiker.
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