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Archiv-Artikel

Die Toleranz der CDU

betr.: offener Brief des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, Günther Oettinger, taz vom 16. 4. 07

„Es gehört in unserem Kulturkreis zu den üblichen und angemessenen Gepflogenheiten einer Traueransprache, Verdienste und das Lebenswerk des Verstorbenen positiv zu würdigen und ihm die schwierigen Phasen seines Lebens – ohne sie zu verschweigen – nicht nachzutragen“, heißt es in einer Erklärung, die Günther Oettinger in einem offenen Brief verbreitet hat. Seit jeher war es in der CDU eine gegenüber alten Nazis gern geübte „Gepflogenheit“, nicht nur den Verstorbenen, sondern auch den noch Quicklebendigen „die schwierigen Phasen (ihres) Lebens nicht nachzutragen“.

Wenn zum Beispiel jemand die Nürnberger Rassengesetze, welche die Verfolgung und schließliche Vernichtung der europäischen Juden einleiteten, formuliert und amtlich kommentiert hatte, dann trug man ihm das nicht lange nach und er durfte getrost der engste Vertraute Konrad Adenauers und sogar dessen Kanzleramtschef sein (Hans Globke). Wenn jemand mit unnachsichtiger Strenge das Vermögen der aus dem Baltikum deportierten Juden eingezogen hatte, dann trug man ihm auch das nicht nach und er durfte getrost als Staatssekretär an Konrad Adenauers Kabinettstisch sitzen (Karl Vialon). Wenn jemand ein Nationalsozialist der ersten Stunde gewesen war, schon 1923 an Hitlers legendärem „Marsch zur Feldherrnhalle“ teilgenommen hatte, später ein Exponent von Hitlers aggressiver Ostpolitik geworden war und im Zweiten Weltkrieg eine wegen ihrer in den besetzten Ostgebieten verübten Gräueltaten berüchtigte Einheit kommandiert hatte, dann trug man ihm auch das nicht weiter nach und er durfte getrost Minister in Adenauers Kabinett sein (Theodor Oberländer).

Irgendwo hatte freilich auch die Toleranz der CDU ihre Grenzen! Wenn zum Beispiel jemand als 19-Jähriger mal ein paar Polizisten mit Steinen beworfen hatte, dann galt er bis ans Ende seiner Tage als stigmatisiert! Denn so etwas gehört sich ja nun wirklich nicht! Schließlich waren die Polizisten ja keine Juden und Joschka Fischer war ja nicht einmal Nazi! ULRICH UFFRECHT, Buxtehude