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■ Die „Titanic“ wallraffte im Namen der BundeswehrProbeschuß aus der Gulaschkanone

Soldaten sind Doppelmörder. Was sonst. Zum Beispiel, wenn sie hingeschlachtete BSE-Rinder dosenweise an Zivilisten verfüttern. Und das nicht etwa in Somalia oder Bosnien. So bot neulich ein „Oberfeldwebel Sonneborn, Nachschubkompanie 320, Abteilung Fleisch/Beschaffe“ im Auftrag des Satiremagazins Titanic verschiedenen Mensen und Kantinen telefonisch preiswertes Rindfleisch „aus Bundeswehrbeständen“ an.

Wegen der Moral in der Truppe müsse ausgelagert werden, so der Offizier, folglich sollten die 400-Gramm-Dosen von der Firma „British Beef“ auch bloß noch 20 Pfennig pro Stück kosten. Und das bei Anlieferung frei Haus: „Wir können Ihnen auch garantieren, daß es wohl wahrscheinlich nicht aus England kommt.“

Kaum abgeneigt zeigt sich zunächst die Mensa der Kieler Universität, wo die öffentliche „Euphorie“ in Sachen Rinderwahnsinn beklagt wird. Schließlich aber siegt doch „die Angst“ des Geschäftsführers: Nur noch Rind aus Schleswig-Holstein. An der Eppendorfer Universitätsklinik hat der Koch leider keine Einkaufsberechtigung – schade, denn die Dosensachen mag er sehr, weil er selbst mal beim Bund war.

Bei dem Catering-Unternehmen, das die Krupp-Kantine versorgt, weiß man zwar, daß bei den Malochern „der BSE-Skandal nicht so zu Buche schlägt“ weil die weiter „ihr Schnitzel und ihr Steak wollen“. Aber gekauft wird trotzdem nicht.

„Wäre das unverschämt, wenn ich sage: Schicken Sie mir mal eine Probedose vorbei?“ fragt hingegen höflich die Mensa Tübingen nach. Längst kein Rindfleisch mehr auf dem Speiseplan hat die Mensa Osnabrück, vertraut aber auf die Zeit: „Wenn Sie sagen, daß die sich bis ins Jahr 2000 halten, das ist ja noch ein paar Tage hin ...“ Auch für Dresdens Mensa sind die Dosenrinder eigentlich kein Problem, wäre da nicht das „Handling“. Denn: „Wer soll das denn alles aufmachen?“

Als weitaus flexibler erweisen sich die Mensaköche in Leipzig und Frankfurt (Oder): Hier spricht man sogleich von Testreihen mit „Mischgulasch“ und so „Pülverchen“, die aus dem Dosenrind eine schöne „Bolognese“ machen.

Beruhigt reinhauen können wohl die StudentInnen in Ilmenau („Wir haben hier einen Haufen Grüne, die gucken uns sehr genau auf die Finger“) und Bielefeld („Wir fühlen uns schon ein bißchen verantwortlich ...“). Dosenentwarnung auch für Weimar, Göttingen und Essen („Nur Frischfleisch“).

Und was meint das Bonner Bundestagsrestaurant zum Angebot der Bundeswehr? Der Oberfeldwebel muß erfahren, daß dort das Rindfleisch schon gut zwei Wochen vorm Exportstopp von den Tellern verschwand. Aber das Justitiariat des Deutschen Bundestages hat durchaus ein paar Tips auf Lager, wie man die Dosen loswerden könnte. Hier ein kleiner Ausschnitt des Gesprächs, das in voller Länge der neuen Titanic zu entnehmen ist: „Über das Deutsche Rote Kreuz vielleicht. Den Malteser Hilfsdienst. Sogenannte Auslandsbrücken.“ Philip Kahle

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