: Die Telefon–Ente
Freitag nachmittag ruft jemand vom Sender Freies Berlin bei der taz–Auslandsredaktion an. Er habe gerade einen Anruf des Osteuropa–Spezialisten Karl Schlögel bekommen. Der wiederum habe ihm mitgeteilt, er habe soeben einen Anruf von einem befreundeten Journalisten aus Rom bekommen. Dieser habe in einer italienischen Zeitung vom Tage, die sich auf eine US–amerikanische Zeitung bezogen habe, gelesen, US–Diplomaten hätten verlauten lassen, Gorbatschow wolle die Berliner Mauer einreißen. Nun möchte der Kollege vom SFB , daß ich wiederum unseren Rom– Korrespondenten Werner Raith anrufe, damit er der Sache hinterherrecherchiert. Werner Raith ist aber nicht in Rom. Also rufe ich das dpa–Büro in Rom an. Der dortige Kollege Frank Rafalski zeigt sich uninformiert. Nach längerem Suchen in seinem Zeitungsstapel fördert er jedoch in der römischen Tageszeitung Il Messaggero vom Donnerstag eine Meldung zutage, derzufolge die US–Zeitung Washington Post berichtet hat, US–Kremlologen hätten die Ansicht geäußert, im Kreml würden zur Zeit Überlegungen angestellt, wie man sich denn in nächster Zeit wieder ins Licht der Öffentlichkeit bringen könne. Dabei sei der Vorschlag gemacht worden, man könne doch öffentlich die Möglichkeit eines Abrisses der Mauer in Erwägung ziehen. Will Gorbatschow denn nun oder nicht? Würde er sich selbst an einem solchen Abriß beteiligen? Oder ist das ganze nur eine plumpe Provokation des CIA, die via Washington Post eine Ente in die Welt setzt, die dann via Messaggero, via Leser in Rom, via Karl Schlögel via SFB, via taz ihren Watschelgang durch die Medien antritt? ant
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