■ Die Somalia-Mission der UNO: „Operation Chaos“: Über den eigenen Schatten springen
Selbst Skeptiker mußten zugeben, daß der Name gut gewählt war: „Operation Restore Hope“ – das klang wie aus der Bibel entliehen. Soldaten werden zu Samaritern, ihr Oberbefehlshaber ist kein Kriegsherr, sondern die Völkergemeinschaft höchstselbst, die, nationale Machtinteressen transzendierend, auf Grundlage humanitärer Prinzipien bei Krisen und Katastrophen interveniert. Man mußte die herzerwärmende Utopie noch nicht einmal geglaubt haben, um nun angesichts der Situation in Somalia die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Aus „Operation Restore Hope“ ist „Operation Introduce Chaos“ geworden; aus einer multinationalen Blauhelmtruppe ein zerstrittener Haufen, zum Teil angeführt von Generälen, die vor allem ihr nationales Ego pflegen; die humanitäre Mission ist (vorläufig) zu einem militärischen Schlagabtausch verkommen, in dem sich die UNO- Truppen seit Wochen in einer Weise gebärden, die man im Amerikanischen als trigger happy bezeichnet: erst wird geschossen, dann erklärt.
Die Angriffe der Unosom und der US-Truppen in Somalia verlaufen dabei mit einer Zielgenauigkeit wie im Falle Bagdads. Dabei werden Menschen getötet, die man im Rahmen der humanitären Mission retten wollte und die nun unter der Rubrik „Verluste in der Zivilbevölkerung“ oder collateral damage (Nebenschaden) auftauchen. So zerstört man jede Legitimation als Instanz zur internationalen Konfliktlösung – und damit auch die Bereitschaft von Mitgliedsstaaten, für solche Einsätze Soldaten zur Verfügung zu stellen. Hier geht es nicht nur um die Reputation, sondern zuallererst um die ethische Integrität.
Diese Überlegung ist Voraussetzung für den einzig möglichen Schritt, um aus der Sackgasse in Mogadischu wieder herauszukommen: Die UNO muß über ihren Schatten springen, die von den Amerikanern forcierte Kopfgeldjagd auf Aidid abblasen, verhandeln und den Hilfsorganisationen ermöglichen, die humanitäre Hilfe in Mogadischu wieder aufzunehmen. Sie muß zudem dafür Sorge tragen, daß ihre Blauhelmverbände gleichmäßig ausgerüstet sind und nicht, wie die schlecht ausgestatteten Pakistanis, eine hervorragende Zielscheibe abgeben.
Und sie muß Hardliner nach Hause schicken – allen voran den US-amerikanischen UN-Gesandten Admiral Howe, der das Motorengeräusch amerikanischer Kampfhubschrauber über Mogadischu zum „Klang der Freiheit“ deklariert. Howe weist immer gern darauf hin, daß in anderen Teilen des Landes Ruhe herrscht und unter UNO-Aufsicht der Wiederaufbau lokaler Strukturen Fortschritte macht. Doch er begreift nicht, daß die UNO-Mission im ganzen Land gescheitert ist, wenn sie in Mogadischu scheitert. Andrea Böhm, Washington
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