Die Skaterbahn in Brandenburg: Das Skaterparadies
Der Niedere Fläming in Brandenburg bietet Skatern und Radlern Rundkurse von über 200 Kilometer Länge.
Er ist ein Fluchtpunkt für Eskapisten, der Niedere Fläming. Die Landschaft, eine eiszeitliche Endmoräne, ist der Gegenentwurf zur brodelnden Metropole in 80 Kilometer Entfernung. Berlin ist laut, stickig, überfüllt, der Fläming weltfern, vergleichsweise menschenleer und still. Wer der Großstadt mit all ihren Zumutungen überdrüssig ist, der fahre in den Fläming. Die Fluchtbewegung ist ja von jeher gen Norden gerichtet. Die Masse, nach Sommerfrische und Erholung gierend, zieht es an die Ostsee und die Müritz. Die südlichen Regionen Brandenburgs scheinen dagegen nicht so viel zu versprechen.
Doch ein paar findige Regionalmanager hatten im Jahre 2001 die Idee, die Touristenströme der Hauptstadt umzuleiten: Sie legten einen Ring aus Asphalt um den Fläming. Er durfte nur ohne Motor befahren werden, und bald schon erwies sich die Sache mit der Fahrbahn für Radler und Rollschuhfahrer als eine prima Idee. Man nannte die Strecke "Fläming-Skate".
Sie sollte wie ein Sog auf Sportfans aus der Hauptstadt wirken. Deswegen machte man die Fahrbahn schön glatt, Fachleute sprechen von einer 0,5er-Körnung, baute sie drei Meter breit, damit man sich nicht groß ins Gehege kommt, und lockte mit einem Streckennetz, das es so in Europa nirgendwo gibt.
Normalerweise müssen sich Skater ihre Strecken mühsam zusammensuchen. Es sind dann meist kurze Abschnitte wie in Berlin der Kronprinzessinnenweg oder das 800-Meter-Oval im Volkspark Friedrichshain. Ohne Abwechslung kurvt man hier hin und her oder kreist wie ein Pferd an der Longe.
Im Fläming hingegen hat der Skater Auslauf. Er kann Dutzende von Kilometern fahren, den Duft von Dung in der Nase, vorbei an Raps- und Maisfeldern, Vierseitenhöfen, einer ländlichen Idylle, die therapeutisch wirkt und alsbald Verspannungen löst.
Fläming-Skate, das bedeutet über 200 Kilometer glatte, asphaltierte Piste im Grünen, gut befahrbar für Inlineskater, Fahrradfahrer und auch Rollstuhlfahrer.
Die drei Meter breiten Bahnen werden noch ergänzt durch breite Radwege im brandenburgischen Landkreis Teltow-Fläming. Das Skaterparadies ist etwa 80 Kilometer südlich des Berliner Zentrums beheimatet. Weitere Infos: www.flaeming-skate.de
Der Niedere Fläming ist nicht spektakulär schön, er bietet eigentlich nur bäuerlich bewirtschaftetes Land, bewaldete Hügel und stille Dörfer. Viel mehr ist da nicht, auch wenn besagte Regionalmanager ein Arsenal touristischer Vergnügungsmöglichkeiten abfeuern wie Spaßbäder und Draisinenfahrten, Schlösser und Klöster.
Ja, auch die übliche Zerstreuung kann man im Fläming haben, aber das Besondere ist das Gefühl des entrückten Cruisens auf dem Fläming-Skate - durch die Kulturlandschaft um Jüterbog, direkt vorbei am Garten von Bauer Pachulke, wo Ziegen weiden und Hühner picken. Für den Rollschuhflaneur geht es von Jänickendorf nach Oehna, von Fröhden nach Schlenzer, von Dennewitz nach Rohrbeck.
An manchen Ecken haben Einheimische rührend hilflose Versuche unternommen, die Fremdlinge zu bewirten. Man bekommt Bohnenkaffee, der wie der Rondo-Aufguss zu Honnis Zeiten schmeckt, und die Stoffeligkeit der Fläminger ist manchmal auf dem Niveau von 1989. Aber das macht die Region nur umso reizvoller. Man liefert sich nicht aus, biedert sich den Touris nicht an. Es reicht ja schon, wenn die Rollschuhberliner in Trupps am eigenen Anwesen vorbeidüsen und die Enten erschrecken.
Trotz aller Vorbehalte haben sie im Fläming akzeptiert, dass die Skatestrecken, mittlerweile auf über 210 Kilometer angewachsen, ein dauerhaftes Konjunkturprogramm für eine strukturschwache Region sind. Ohne den Fläming-Skate wäre die Abwanderung viel größer, wohl auch die Arbeitslosigkeit.
Touristen kommen von weit her, um durchs Land zu rollen. Nicht selten sieht man Holländer, die ja ein Faible fürs Laufen auf Inlinern haben, auch Tschechen und Polen kommen. Man veranstaltet Marathons und andere Wettkämpfe für Rollschuhläufer. In Jüterbog steht eine "Skate-Arena". Im Sommer schinden sich hier Nachwuchssportler aus den sächsischen und thüringischen Leistungszentren.
Der Touri geht es gemeinhin etwas ruhiger an. Er startet seine 50-Kilometer-Tour in Kloster Zinna, lässt sich vom Rückenwind nach Oehna schieben, geht dort ins Freibad, kämpft sich zurück ins Klosterdorf und lässt sich in der Kneipe vom kreglen Wirt duzen. Das ist wirklich dufte, aber mal ehrlich, Berlin, das laute, stickige und überlaufene, ist doch nach so einer Stippvisite im Fläming auch ganz schön.
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