■ Die Selbstdemontage eines sommerlichen Entertainers: Schröders Spielchen
Ende Juni wollte Rudolf Scharping reinen Tisch machen. Der SPD-Vorsitzende rief Gerhard Schröder öffentlich zur Räson, spielte die Krise in der SPD- Führung als „sachliche Konflikte“ herunter und hoffte auf ein paar ruhige Urlaubstage.
„Denkste!“ hat sich da aber Genosse Schröder gedacht und nach ein paar Anstandstagen wieder angefangen zu stänkern. Damit er diesmal nicht allein an vorderster Front steht, holte er sich Hennig Voscherau aus Hamburg zur Verstärkung. Selbstverständlich geht es nicht darum, Scharping zu demontieren, sondern nur um das Jahressteuergesetz und die Länder, die keine finanziellen Spielräume mehr haben.
Wieso fühlen sich Schröder und Voscherau gedrängt, ihre Sorgen per Brief zu verkünden? Schließlich haben sie die Forderungen der SPD in Sachen Existenzminimum und Kindergeld doch mit formuliert. Nicht zuletzt in der Bundestagsdebatte zum Jahressteuergesetz wurde überdeutlich, daß die SPD – anders als die Bundesregierung – die Länder und Gemeinden stärker entlasten und den Bund finanziell stärker belasten möchte. Aber Voscherau hat ja munkeln gehört, daß NRW und das Saarland die gemeinsame Linie im Vermittlungsausschuß nicht länger mittragen wollen, wonach die Länder mit maximal sieben Milliarden Mark belastet werden dürfen. Wie muß es um die Kommunikationsfähigkeit der Genossen stehen, wenn sich solche Irritationen nur durch die Vermittlung der Öffentlichkeit ausräumen lassen? Aber – wie gesagt – darum geht es gar nicht.
Öffentlich läßt sich nun mal wirkungsvoller zanken. Nur, langsam kann kaum noch jemand erkennen, worum es geht. Welches Kalkül verfolgt Schröder? Will er nach seiner gestrigen Ankündigung doch SPD- Kanzlerkandidat werden? Ihm muß doch klar sein, daß er mit seinen Auftritten zwar dem sommerlichen Bedürfnis nach Amüsement entgegenkommt, sich in der eignen Partei aber zunehmend isoliert. Zumindest die Parteitagsdelegierten werden im Herbst einen langweiligen, aber zuverlässigen Scharping einem profilierungssüchtigen Schröder vorziehen.
Im Parteivorstand und Präsidium jedenfalls steht niemand zu ihm. Der eigentlich für Diskretion bekannte Elder statesman Hans-Jochen Vogel fühlt sich gar genötigt, Schröder im Rundfunk zu rügen. Lediglich aus den hinteren Reihen der Partei meldet sich der bayerische SPD-Generalsekretär Albert Schmid und verkündet, er halte Schröder für den besseren Kanzlerkandidaten. Wenn das kein Rückhalt ist!
Von der Führungsspitze der SPD scheint sich keiner mehr auf Schröders Spielchen einzulassen. Führt ja auch zu nichts. Wo so viel Neid, Mißgunst und Intrigen öffentlich zur Schau getragen werden, lassen sich Wähler nur schwer mobilisieren. Rot-Grün findet in Bonn dann schon deswegen nicht mehr statt, weil die SPD gerade noch die 30-Prozent-Marke schaffen wird.
Gerhard Schröder kann sich dann ja damit trösten, daß er, wenn schon nicht der bessere Kanzlerkandidat, dann wenigstens besser in der Glotze rüberkam. Ist doch auch was – oder? Karin Nink
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