Das Portrait: Die Schwarzgrüne
■ Isabel Tocino
Isabel Tocino mußte sich lange gedulden, bis sie endlich wieder in die Gefilde der hohen Politik aufstieg. Gestern holte sie ausgerechnet der Mann in sein frischgegründetes Umweltministerium, der für ihre siebenjährige Verbannung auf das innerparteiliche Abstellgleis verantwortlich war: Spaniens neuer Premier José María Aznar. Tocino ist damit eine von vier Frauen im Kabinett des Wahlsiegers.
Die 47jährige Doktorin für Nuklearrecht und Autorin mehrerer Studien zur Atomenergie und ihren Folgen für die Umwelt galt Aznar als unsichere Kandidatin, seit sie Ende der achtziger selbst den Vorsitz der Partido Popular (PP) angestrebt hatte. Trotz Unterstützung durch den Gründervater der konservativen Formation – und ehemaligen Informationsminister von Diktator Franco –, Manuel Fraga, scheiterte Tocinos Traum, die „Eiserne Lady Spaniens“ zu werden. Statt dessen wurde sie Feindin Nummer eins der kurz darauf gekürten Führungsriege um Aznar.
Isabel Tocino, Spaniens neue Umweltministerin Foto: taz-Archiv
Weiblich – ja, Feministin – „nicht im geringsten“, heißt die Devise der wasserstoffblonden Liebhaberin maßgeschneiderter Kostüme und Mutter von sechs Kindern. „Ich bin Mitglied des Opus Dei – na und?“ gestand Tocino bei einer Debatte über das neue Schulgesetz der jungen sozialistischen Regierung von Felipe González 1983. Das Mitglied im katholisch-fundamentalistischen Geheimbund fürchtete um die Vormachtstellung der Kirche in Spaniens Schulsystem und damit um die traditionellen Werte wie Gehorsam vor der Obrigkeit.
Als Folge ihres gescheiterten Griffs nach der Macht warf der Clan Aznars, den er eigens aus der kastilischen Provinzhauptstadt Valladolid mitgebracht hatte, wo er einst das Amt des Regionalpräsidenten bekleidete, Isabel Tocino Knüppel zwischen die Beine, wo es nur ging. Ihre Beschwerden wurde milde belächelt – undiszipliniert, ehrgeizig und zickig, eben eine Frau, hieß es dann. Als Aznar ihr bei den letzten Europawahlen 1994 den Listenplatz Nummer zwei anbot, roch Tocino rasch denn Braten. Wegloben lassen wolle sie nicht, lehnte sie dankend ab. Nicht so, als sie Ende letzten Jahres den Vorsitz auf dem Wahlparteitag angeboten bekam, denn das bot ihr „die Möglichkeit, José María Aznar als Parteivorsitzendem und als Präsidentschaftskandidaten zuzujubeln“. Ein, wenn auch später, Kniefall vor dem Herrn, der sich jetzt auszahlte. Reiner Wandler
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