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Archiv-Artikel

Die Schande des AA

Während der Herrschaft der Junta in Argentinien verschleppt und ermordet: Das Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin widmet Elisabeth Käsemann zu ihrem 30. Todestag eine Ausstellung, die auch vom späteren Kampf für Gerechtigkeit handelt

VON OLGA BURKERT

Über 30 Jahre ist es nun her. Im März 1977 wurde Elisabeth Käsemann in Buenos Aires vom Militär während der damals herrschenden Diktatur zunächst verschleppt und später mit anderen Gefangenen des Regimes erschossen. Die deutsche Sozialwissenschaftlerin lebte seit 1970 in dem südamerikanischen Land. Sie engagierte sich in Armensiedlungen, war Mitglied einer trotzkistischen Gruppe. Für die Schergen der Militärjunta Grund genug, sie wie tausende andere als „Subversive“ zu entführen, zu foltern und ohne Spuren verschwinden zu lassen. Aber die Erinnerung kann man nicht verschwinden lassen. Und so ist die Geschichte – die von Elisabeth Käsemann, die der Diktaturen Südamerikas – noch immer präsent.

Das Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin widmet Elisabeth Käsemann nun zu ihrem 30. Todestag eine Ausstellung. Dort studierte sie in den Sechzigerjahren. Im Foyer des politikwissenschaftlichen Instituts wird auf insgesamt 17 großen Tafeln über Käsemanns Leben, ihr gesellschaftspolitisches Engagement in Argentinien sowie ihre Verschleppung und den folgenden Kampf für Gerechtigkeit berichtet. Elisabeth Käsemann ist eine der deutschen oder deutschstämmigen Personen unter den insgesamt 30.000 Menschen, die während der Diktatur in Argentinien (1976–1983) entführt und umgebracht wurden oder verschwunden sind.

Die Tafeln vermitteln den Besucherinnen und Besuchern chronologisch die Geschichte von Elisabeth Käsemann. Die nüchterne Gestaltung der Ausstellung wird durch den krassen Inhalt der Tafeln kontrastiert. Immer wieder hält man inne beim Lesen, muss die Informationen erst einmal sacken lassen, bevor man sich mit dem nächsten Schritt zur folgenden Tafel schiebt – um wiederum eine schreckliche Etappe der Geschichte zu erfahren. Auf den ersten vier Tafeln wird die Person Elisabeth Käsemann vorgestellt: ihre Herkunft aus einer kritischen Pfarrersfamilie der „Bekennenden Kirche“ aus Süddeutschland, ihre erste Reise nach Lateinamerika, ihr erwachendes und wachsendes soziales Engagement in Argentinien.

Ein Großteil der Ausstellungstafeln dreht sich jedoch um den Zeitraum nach dem Verschwinden der Deutschen. Die Betrachter erfahren von der Entführung und Inhaftierung Elisabeths sowie der Ermordung sechs Wochen später bei einem angeblichen Gefecht zwischen Guerilla und Militär. Besonders deutlich wird die Tragweite der Geschehnisse durch Zeitzeugenberichte, denen jeweils einzelne Tafeln gewidmet sind. Da ist zum Beispiel Elisabeths Freundin und Mitgefangene Diana Austin, die ebenfalls festgenommen, aber nach wenigen Tagen auf Druck der britischen Regierung wieder freigelassen wurde. Oder die Aussage der Überlebenden Elena Alfaro, die von dem Tag erzählt, an dem Käsemann und 15 weitere Gefangene, darunter Alfaros Mann, aus dem berüchtigten Folterzentrum El Vesubio abgeholt wurden und nicht mehr wiederkehrten.

Auch die Anwesenheit von Ulrich Käsemann, Bruder der Ermordeten, der die Geleitworte bei der Eröffnung der Ausstellung spricht, unterstreicht die Tragweite der Geschehnisse vor 30 Jahren. Seine stockenden Worte verdeutlichen die Gegenwart der Vergangenheit; sein ergrautes Haar steht im Gegensatz zum ewig jungen Lächeln von Elisabeth auf dem Foto, das die Ausstellungstafeln ziert.

Die letzten Tafeln widmen sich schließlich dem langen juristischen Kampf für Gerechtigkeit – zunächst, um etwas über das Schicksal der Verschwundenen zu erfahren, später dann, um die Verurteilung der Verantwortlichen zu erreichen. Thematisiert wird darüber hinaus das Versagen des Auswärtigen Amtes, etwas für die Freilassung von Käsemann zu tun. Die damalige deutsche Regierung zeigte sich in den auch hierzulande politisch stark umkämpften 70er Jahren mehr an guten Wirtschaftsbeziehungen und lukrativen Waffengeschäften als an einem Menschenleben interessiert – noch dazu dem einer Linken.

Dieser Schwerpunkt lässt sich durch die Organisatorin der Ausstellung erklären: Zusammengestellt wurde diese von der „Koalition gegen Straflosigkeit“, einem Bündnis von AnwältInnen, kirchlichen und Menschenrechtsgruppen mit Sitz in Nürnberg, das seit 1998 versucht, in Deutschland Strafverfahren gegen argentinische Militärs anzustrengen. Im an die Ausstellungseröffnung anschließenden Podiumsgespräch liefert eine Anwältin der Koalition, Petra Isabel Schlagenhauf, die juristischen Hintergrundinformationen zum Fall Käsemann und der Arbeit der Koalition. Sie betont: „Die Vergangenheitsbewältigung ist auf politischer Ebene immer noch offen.“ Hertha Däubler-Gmelin, Bundesministerin a. D., die heute Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages ist, repräsentiert auf den ersten Blick eben jene politische Ebene. Doch auch sie nennt das Stillhalten des damaligen Auswärtigen Amtes im „Fall Käsemann“ schlicht „eine Schande“.