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„Die SPD hat mich zum Rücktritt gedrängt“

■ Albert Eckert, 29, parteilos und ehemaliger „Schönheitsmasseur“, über seinen Rücktritt vom Amt des Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses / Visitenkarten von der 'Bild-Zeitung‘ an der Tür und anonyme Briefe von angeblichen „Zeugen“

taz: Was war letztlich der Grund für Ihren Rücktritt?

Albert Eckert: Ich habe es satt gehabt. Ich hatte genug von den Nachstellungen und persönlichen Anfeindungen die mich in letzter Zeit getroffen haben. Die Visitenkärtchen von 'Bild am Sonntag'-Redakteuren an der Tür meiner Privatwohnung und dergleichen hatte ich wirklich satt. Da war keine Minute Zeit für die Politik mehr, ich mußte mich ständig mit dem Versuch der Besudelung durch den Abgeordneten Wienhold und der Springerpresse auseinandersetzen. Da kamen auch anonyme Schreiben, die nicht besonders erfreulich waren. Leute, die sich als ehemalige Kunden von mir ausgaben. Doch das gab nicht allein den Ausschlag. Ich habe den Eindruck, daß die überwiegende Mehrheit des Abgeordnetenhauses in ihrer Doppelmoral meinte, ich sei in einem solchen Amt untragbar.

Wie sah das denn bei den Sozialdemokraten aus?

Die hat mich tendenziell eher dazu gedrängt, das Amt niederzulegen, obwohl die gesamte Fraktion zu dem Zeitpunkt ja noch gar nicht beraten hatte.

War diese Reaktion eine Überraschung für Sie?

Für mich ist die SPD keine Partei des sexuellen Fortschritts, das ist sie nie gewesen.

Hätten Sie die AL-Fraktion nicht vor Ihrer Wahl energischer davor warnen müssen, daß da vielleicht etwas kommen könnte in Richtung Denunziation?

Ich denke, der AL war das mit Beginn meiner Mandatszeit durchaus klar. Da gab es nichts vorzubereiten.

Wie geht es für Sie persönlich jetzt weiter?

Endlich wieder Politik machen in den Bereichen, die mich angehen. Für die Leute im Knast. Ich kümmere mich endlich mehr um den Hungerstreik in Moabit. Und ich werde versuchen, ein paar von den Ideen für die Reform der Plenarsitzungen, die ich gemeinsam mit Hilde Schramm vorgestellt hatte, hineinzuretten in die Amtszeit eines/r neuen VizepräsidentIn.

Hätte nicht, wenn Sie im Amt geblieben wären, eine bessere Chance bestanden, eine Diskussion über Moral und Parlament, über Sex und Politik zu eröffnen?

Ich denke, eine Kampagne gegen meine Tätigkeit als Schöheitsmasseur hätte noch viele Monate Stoff für die Boulevardpresse und entsprechende Privatsender gegeben. Ich fürchte, ich hätte das persönlich nicht nutzen können zu einer echten Offensive zugunsten der Liberalisierung der Prostitution, der sozialen Gleichstellung der Prostitution zugunsten der Rechte von Lesben und Schwulen in der Stadt. Das wäre auf der Ebene von Klatsch und Zoten weitergegangen. Das war ja bisher nur ein übler Vorgeschmack, was der Herr Wienhold da geboten hat. Ich bin kein Märtyrer.

Interview: kotte

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