■ Kommentar: Die SPD dankt ab
Die Berufung des bündnisgrünen Schulreformers Thomas Stryck von Frankfurt an die Spree markiert eine doppelte Zäsur: Berlin sendet nicht etwa bildungspolitische Impulse aus, die Stadt hat Anstöße von anderswo bitter nötig. Und die SPD hat schulpolitisch zugunsten der Bündnisgrünen abgedankt.
Das kommende Schuljahr falle nicht aus. So lautete im Mai die Spitzenmeldung aus dem Schulressort. Man hatte es, ehrlich gesagt, schon gar nicht mehr zu hoffen gewagt. Zu sehr hatte die strukturelle Unfähigkeit des Landesschulamts entnervt, die Vertretungskrise im Winter, neuerdings die Querelen um die Teilzeitlehrer. Pädagogik und Schulen der Hauptstadt liegen, dem Engagement mancher Lehrer, Eltern und Schüler zum Trotz, darnieder.
Das hängt damit zusammen, daß die SPD ihre Paradedisziplin fast vergessen hat: die Bildungspolitik. Nicht umsonst hat ein Sozialdemokrat vom Schlage eines Carl-Heinz Evers sein Parteibuch längst zurückgegeben. Evers, der „Vater der Gesamtschule“, gehörte einst dem Senat um Willy Brandt an. Damals hatte die Partei die absolute Mehrheit – und gute Ideen. Mit Evers als Autor der schulpolitischen Passagen im SPD- Grundsatzprogramm konnte Willy Brandt mehr Demokratie wagen. Davon ist nichts mehr zu spüren. Die SPD ist personell und ideell ausgelaugt. Man vermißt an ihr, noch dazu, Rückgrat: Die SPD schluckt viele schulpolitische Kröten, die ihr die CDU serviert, egal ob Schnelläuferklassen oder Landesschulamt. Die Berliner SPD kann gar nicht mehr anders, als auf Experten von außerhalb zurückzugreifen. Bei Finanzsenatorin Fugmann- Heesing galt das nur für die Landesgrenzen. Tom Stryck kommt nun gar von jenseits der Parteigrenzen. Das mag schade für die SPD sein. Für die Stadt ist es ein Gewinn. Christian Füller
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