: Die SPD auf LSD
POLITIK 2.0 Zwei Blogger machen mit Utopien SPD-Wahlkampf – das Kapital muss endlich bluten
Der Mann kann einem leidtun. Vor Jahren bewarb sich Frank-Walter Steinmeier beim aufstrebenden Gerhard Schröder als Büroleiter – jetzt muss er als Kanzlerkandidat den Untergang der SPD vollziehen. Noch wenige Wochen, dann sind die Sozen als Regierungspartei Geschichte – glaubt man den Demoskopen.
Glaubt man dagegen Sten Nadolny und Tilman Spengler, kommt alles anders. Denn die Schriftsteller leisten auf ihrem „Steinmeier-Blog“ (www.steinmeier-blog.net) so kreative Hilfe, dass in der SPD-Wahlkampfzentrale „Nordkurve“ die La-Ola-Welle gestartet werden dürfte. Nadolny und Spengler wagen den Blick in eine Welt, die utopisch und fern ist – eine Welt, in der Frank-Walter Steinmeier seit hundert Tagen Bundeskanzler ist. Die beiden verraten auch, warum Steinmeier die Mehrheit holte: Er hat vor der Wahl doch noch das Gewinnerthema gefunden: Statt des Wehrdienstes ruft er das „soziale Pflichtjahr“ aus.
Als eine seiner ersten Amtshandlungen schafft Steinmeier militärische Zeremonien bei Staatsgästen ab. Die Idee sei ihm gekommen, weil Kanzler Schröder sich einst beschwert hätte, in Indien Hunderte von Wachsoldaten abschreiten zu müssen, während sich sein Gastgeber mit fadenscheinigen Gründen gedrückt hätte. „Das sah scheiße aus“, wird Schröder zitiert.
Für Aufruhr sorgt Steinmeiers Gesundheitsreform. Endlich schenkt er den Sozialdemokraten die Bürgerversicherung. Die Lohnabgaben sind nun auf historisch niedrigem Niveau, dafür werden sie auch auf Kapital erhoben. Andrea Nahles, stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, jubelt über den erfüllten Kindheitstraum, Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut sieht Deutschland am Abgrund: „Dies ist das Ende der Gerechtigkeit.“
Ein Hauch von Willy Brandt weht dank Nadolny und Spengler durchs Netz, es ist ein bisschen wie SPD auf LSD, so unrealistisch, illusorisch, farbenfroh. Eine schönere Wahlkampfhilfe ist nur die Super Nanny.
Wer jetzt den Blog lesen möchte, sollte sich nicht vertippen. Denn auf Steinmeier-blog.de hat Autor Peter Wertheimer am 8. Juni den letzten Eintrag geschrieben. Steinmeier sei der ideale Hinterzimmergeneral, aber als Kanzler wolle er ihn nicht. „Ich will auch nicht mehr über ihn schreiben. Deshalb lege ich mein Amt als Steinmeier-Schreiberling nieder.“ Da ist sie wieder, die echte SPD. Es ist, als erwache man aus einem schönen, roten Traum. GORDON REPINSKI