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Die SPD-Spitze will Zeit gewinnen

■ Einen Tag nach dem Wahldebakel sind die Spitzengremien der Berliner SPD ratlos. Die Rolle der Partei neu definieren

Der Slogan auf der Wandtafel im Sitzungssaal der Parteizentrale klang wie ein Nachhall vergangener Größe: „Die SPD stark machen“. Einen Tag nach dem Debakel trieb die Partei jedoch nur eine Frage um: Wie kann die Partei zusammengehalten werden?

Während an der Basis schon in der Wahlnacht die Forderung nach einer Absage an die Große Koalition laut wurde und die Jusos die Oppositionsrolle anmahnten („Die SPD hat sich kaputtregiert“), versuchte die Führung Zeit zu gewinnen. Man brauche jetzt erst einmal Ruhe, steckte die gescheiterte SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer den Kurs ab. Augenblicklich sei „alles vorstellbar, daran arbeiten wir ja", orakelte sie und verschwand zum SPD-Präsidium nach Bonn.

Zunächst will der Landesvorstand am Samstag auf einer Klausurtagung beraten, bis zum Sonderparteitag am 7. November sollen dann von den Führungsgremien Leitlinien über das weitere Vorgehen erarbeitet werden.

Bereits gestern zeichnete sich aber ab, daß die SPD-Spitzenpolitiker eine Fortsetzung der Großen Koalition favorisieren. Bausenator Wolfgang Nagel erteilte der Tolerierung eines CDU-Minderheitssenats durch die SPD eine Absage. Ausdruck der tiefen Verunsicherung war der beleidigte Tonfall gegenüber dem Koalitionspartner. Die CDU müsse sich erst einmal „den Schaum vom Mund wegwischen“, bevor man überhaupt an Gespräche denken könne, meinte Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung. Nicht jeder teilte Stahmers Sichtweise, die CDU habe eine „Schmuddelkampagne“ betrieben. Er habe schon schlimmere Wahlkämpfe erlebt, Schuldzuweisungen an Dritte reichten nicht aus, so Nagel.

Deutlich war das Bemühen, sich nicht in Personaldebatten zu zerfleischen. Stahmer, so Landesvorsitzender Detlef Dzembritzki, solle in Zukunft weiterhin eine „führende Aufgabe“ spielen – welcher Art diese Aufgabe sein könnte, wurde geflissentlich offen gelassen.

Die Gedanken kreisten gestern vornehmlich um das künftige Selbstbild der Partei. Welche Rolle, fragte sich Nagel, wolle die SPD noch spielen, wenn sie „nachweislich keine Volkspartei mehr ist“. Einschneidend dürften sich neben dem landesweit katastrophalen Ergebnis die Verluste bei den Bezirkswahlen auf die innere Struktur auswirken.

Ob Ost oder West, ob rechte oder linke SPD-Bezirksverbände – die Wähler straften gleichermaßen ab. Folgerichtig blieb der Aufschrei der Flügel, die sich traditionell in Kungelkreisen organisiert haben, aus. Linke wie der (noch) Kreuzberger Bürgermeister Peter Strieder, den die Bündnisgrünen schlugen und selbst die Christdemokraten hinter sich ließen, traten schon im Vorfeld Forderungen nach einer Mitgliederbefragung über die Koalitionaussage entgegen. „Strategische Fragen“, so Strieder, „kann man nicht mit ja oder nein beantworten.“ Severin Weiland

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