: Die Ruhrpott-Hanseaten
Das Fax eines Statt-Partei-Ratsherren verstand der Hansebund als Bewerbung: Jetzt soll Lünen den Hansetag ausrichten. Eine Kleinstadt und die Angst vor der internationalen Blamage
von MIRIAM BUNJES
Lünen anno 1300: Drei Bauernhäuser, eine Furt über der Lippe, eine Pferdewechselstation. Die Siedlung hat keinen Namen, sie ist eben „die Wechselstation am dänischen Ochsenweg“ und somit ein Mitglied der Hanse.
Lünen anno 2004: 92.000 Einwohner, 11,9 Prozent Arbeitslosigkeit, 44,9 Millionen Euro Minus im Stadtsäckel. „Im Bewerbungsverfahren um die Hansetage sich die Stadt Lünen durchgesetzt. Herzlichen Glückwunsch“, verkündet Lübecks Bürgermeister und diesjähriger Hansebundpräsident Bernd Saxe beim Hansetag im finnischen Turku. Worte, die bei den Regierenden der Pferdewechselstation am dänischen Ochsenweg Fassungslosigkeit auslösen. „Ich habe nichts veranlasst“, sagt Bürgermeister Hans-Wilhelm Stodollick (SPD). „Die Stadt Lünen hat sich offiziell nicht um die Ausrichtung der Hansetage beworben.“
Des Rätsels Lösung: Ein begeisterter Hansefan, seines Zeichens Ratsherr der Statt-Partei, schickte unlängst ein Fax ans Präsidium des Hanse-Tages, Vertreter von 200 Städten in 16 Ländern. „Die vielen Vorteile Lünens“ beschrieb er darin. „Und dann hab ich vorgeschlagen, dass man für den nächsten freien Termin auch an Lünen als Gastgeberin für die Hansetage denken könnte“, sagt Dieter God. „Irgendwie haben die das als Bewerbung verstanden.“
Und irgendwie muss Lünen jetzt mit dieser Ehre klarkommen. „Wir müssen nun sehen, dass wir den Ruf der Stadt nicht beschädigen“, sagt der Bürgermeister. Heißt: Der Delegiertenversammlung des Städtebundes beichten, dass da ein einzelner Abgeordneter eine nicht abgesprochene Aktion gestartet hat? „Das wäre ziemlich peinlich“, sagt Reinhold Urner, Pressesprecher der Stadt. Also: Machen. Aber wie? Jahr für Jahr strömen zigtausende Touristen und Delegierte aus ganz Europa zu den Hansetagen. „Denen muss man Unterkunft, Unterhaltungsprogramm und qualitativ hochwertige Gastronomie anbieten“, sagt Urner. „Aus der mehr als leeren Stadtkasse könnten wir das im Moment nicht bezahlen und an Lünen müsste sich einiges ändern, um so ein Großereignis zu stemmen.“ Allerdings soll das Großevent zum Glück erst 2019 steigen. „Vorher gab es zum Glück keinen freien Platz mehr“, sagt Urner. „Und bis dahin kann sich unsere Finanzlage zum besseren gewendet haben.“
Dass sich Lünen mit den großen Schwestern wie Hamburg oder Riga messen kann, davon ist der Stadtsprecher überzeugt: „In einer kleinen Stadt steht die Bevölkerung viel mehr dahinter, da kommt viel mehr Stimmung auf.“ Entschieden werden soll erst nach der Kommunalwahl. „Und bevor wir uns international blamieren, sagen wir halt kurzfristig ab“, sagt Urner. „Wir haben ja schließlich keinen Vertrag unterschrieben.“ Dieter God indes wird vom Ältestenrat der Stadt gerügt. „Ich bereue nichts“, sagt er dazu. „Ich verschaffe Lünen eine große Chance.“