Die Républicains nach der Wahl: Opfer einer „Hexenjagd“
Enttäuschung und Zurückhaltung im Fillon-Lager. Viele Anhänger schieben die Niederlage der Justiz zu. Wen wählen sie in der zweiten Runde?
Die Stimmung war an diesem Wahlabend sowieso nie so richtig gelöst. Einige Minuten vor der Bekanntgabe der Prognosen versuchen die überzeugten Anhänger Fillons, sich optimistisch zu geben. Eher wenig überzeugend. Einige haben ihren Blick auf das Smartphone geheftet, andere tuscheln mit der Hand vor dem Mund, als würden sie über Staatsgeheimnisse sprechen.
Camille verliert sich in hoffnungsvollen Szenarien. Die 38-Jährige möchte nicht, dass Le Pen in die zweite Runde kommt, und stellt sich sogar einen Moment lang vor, am 7. Mai einen Wahlzettel für Mélenchon abzugeben, um die Kanidatin des Front National zu stoppen. Daniel will seinen Kandidaten nicht bedrückt sehen. „Er war am Ende ganz allein, der Arme. Er hat getan, was er konnte, ohne aufzugeben“, sagt der 66-Jährige.
Um 20 Uhr ist die Messe gelesen. Fillon kommt nicht über 20 Prozent, ein Ergebnis, das seine Anhänger ohne einen Laut zur Kenntnis nehmen. Mit einem Glas Wein in der Hand hofft Sam auf ein gutes Abschneiden der Konservativen bei der kommenden Parlamentswahl, um „unsere Institutionen und unser Programm zu beschützen“. Der junge Mann hat nur wenig Vertrauen in Emmanuel Macron, den er „eher schwach“ einschätzt.
Neben ihm trumpft ein Freund auf: „Er ist schon stark, dieser Hollande. Er schafft es, seinen Klon wählen zu lassen!“ Dasselbe Gefühl hat auch Xavier, der schätzt, dass der Kandidat von En Marche „vom System geschützt“ und sogar „getragen“ wurde.
„Die Wahl war manipuliert“
Während im Fernsehen einige Abgeordnete der Républicains schon kaum verhüllt Kritik an Fillons Wahlkampf äußern, sehen die treuen Anhänger noch keinen Grund zur Bestandsaufnahme. Sie bestehen darauf, dass ihr Kandidat Opfer einer „Hexenjagd“ war, einer „geheimen Absprache zwischen Regierung und Justiz“.
Xavier sagt, er habe es sich „reiflich überlegt“: „Die Wahl war manipuliert, sogar gestohlen.“ Auf der Straße stützt sich eine alte Dame auf einen Zaun und regt sich über „die Scheiß-Journalisten“ auf. Für diese Fans ist es noch zu früh, darüber nachzudenken, wen sie in zwei Wochen wählen werden.
„Ich werde weder die eine noch den anderen wählen“, sagt die 58-jährige Marie-Laure. „Macron ist ein Zauberkünstler, er wird das Bett für Le Pen machen, die dann in fünf Jahren gewählt wird. Frankreich wird zehn Jahre verlieren. Ich denke sogar darüber nach, in vierzehn Tagen für Madame Le Pen zu stimmen, damit die Konservativen das Land 2022 wieder in Ordnung bringen können.“
Die taz und die französische Tageszeitung Libération machen journalistisch gemeinsame Sache. Wir arbeiten erst zur Wahl in Frankreich und dann zur Bundestagswahl zusammen. Dieser Beitrag ist Teil der Kooperation.
Catherine geißelt die fehlende Erfahrung des „jungen Mannes“ Emmanuel Macron. „Sehen Sie sich die Gefahren an, die auf der Welt lasten, das, was sich in Korea abspielt, in Syrien … Ich denke, ich werde einen leeren Stimmzettel abgeben.“
Manche Anhänger Fillons haben sich aber auch anders entschieden. Sie wollen dem Front National den Weg versperren. „Das Wichtigste ist es, sich hinter Macron zu stellen, das hat François Fillon ganz klar gesagt“, gesteht sich Jean-Baptiste ein. „Ich bin liberal, europäisch, christlich-demokratisch: Diese Ideen sind seinen doch viel näher als denen von Marine Le Pen.“ Michaël wird sich genauso entscheiden, selbst wenn er „weder die Ideen noch die Methoden“ des ehemaligen Wirtschaftsministers unter François Hollande schätzt.
Übersetzung aus dem Französischen: Belinda Grasnick
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