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■ Die Regierung macht Wahlkampf mit SteuergeldernKein Naserümpfen, nichts

Einmal angenommen, Joschka Fischer meldet sich in Rundfunk und Fernsehen zu Wort: „Hessen kann aufatmen. Unter dem Druck der Landesregierung hat die Firma Siemens die Hanauer Plutoniumfabrik endgültig geschlossen. Ohne Strahlenrisiko sicher in die Zukunft! Eine Information des hessischen Ministers für Umwelt und Energie.“ Das Ganze geht in der Woche vor der Landtagswahl über den Äther, nicht als bündnisgrüner Wahlspot, sondern als Mitteilung der Landesregierung, finanziert aus Steuermitteln. Ein empörter Aufschrei wäre dem grünen Zampano sicher, die hessische Opposition würde sich mit Klagen überschlagen, Regierungssprecher Vogel in Bonn mit sorgenumwölkter Stirn vor die Presse treten und verlangen, dem grünen Treiben im Lande Hessen ein rasches Ende zu bereiten. Und der Mann hätte recht. Schon vor fast zwanzig Jahren hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß das Wahl- und Steuerzahlervolk in dieser Form für die eigene „Meinungsbildung“ nicht zur Kasse gebeten werden darf. Wahl- Eigenwerbung der jeweils Regierenden, auch wenn sie als Information getarnt daherkommt, ist juristisch unzulässig. Politisch und moralisch ist sie ein Skandal.

Die Bundesregierung tangieren derlei Bedenken nicht sonderlich. King Kohl läßt seinen Verkehrsminister in den neuen Ländern für jene „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ werben, die noch in der Ära des unsäglichen Günther Krause und unter massiver Einschränkung der Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit aufs Gleis gesetzt wurden. Die besonders umstrittenen Straßenbauprojekte – darunter die Ostseeautobahn und die sogenannte Südharzautobahn – tauchen im TV-Spot optisch gar nicht auf, statt dessen wird der ICE elegant ins Bild gesetzt und von Umweltschutz und Entlastung der Innenstädte schwadroniert.

Einen Aufschrei löst derlei konservativer Amtsmißbrauch in diesem Land nicht aus. Nicht einmal ein Naserümpfen. Das mag damit zusammenhängen, daß die Sozialdemokraten selbst genug Dreck am Stecken haben. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts richtete sich seinerzeit gegen die von Helmut Schmidt geführte Bundesregierung und den Düsseldorfer SPD-Umweltminister Klaus Matthiesen. Den kostete eine millionenschwere, exakt vor der letzten Landtagswahl plazierte angebliche Kampagne zur Müllvermeidung viel Reputation, aber nicht sein Amt. Doch nicht nur die sozialdemokratische Opposition, auch die Öffentlichkeit erträgt den Bonner Amts- und Machtmißbrauch mit Engelsgeduld. Schlimmer noch, die Mehrheit hält den spätfeudalen Rückfall der Regierenden für selbstverständlich. Die Parteien, mahnte vor wenigen Jahren Richard von Weizsäcker, dürften sich den Staat nicht zur Beute machen. Ein Wort in den Wind. Gerd Rosenkranz

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