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Die Quote auf dem Kieker

■ Lang und hart war der Kampf um die Frauenförderung – doch wofür taugt sie überhaupt?

Ulrike Buchner ist ein Querkopf. Sie sagt etwas, was in Gewerkschaftskreisen ein Tabu ist: Die klassische Frauenförderung tauge nichts. Vor allem die Quote im öffentlichen Dienst hat sie auf dem Kieker. Die taz befragte die Personalratsvorsitzende im Amt für Soziale Dienst, die auch im Vorstand der Angestelltenkammer sitzt.

Die meisten Frauen winken heute genervt oder gelangweilt ab, wenn sie das Stichwort „Frauenförderung“ hören. Liegt das daran, daß sie nichts gebracht hat?

Ulrike Buchner Frauenförderung war und ist notwendig - das ist keine Frage. Aber mit dem, was unter Frauenförderung derzeit verstanden wird, ist perspektivisch kein Blumentopf zu gewinnen: In der jetzigen Wirtschaftslage wird sie als erstes geopfert.

Was wird denn heute unter Frauenförderung verstanden?

Überwiegend betriebliche Familienförderung, also Rückkehrgarantie, die Möglichkeit, sich zur Betreuung der Kinder beurlauben zu lassen, Gleitzeit, in einigen Betrieben gibt es betriebsnahe Kindergärten, zum Beispiel bei den Stadtwerken ... das wird als Frauenförderung verkauft, ist aber Familienförderung - ist als solche ja auch notwendig ...

... aber offenbar funktioniert ja noch nicht mal diese Familienförderung: In München zum Beispiel klagen drei Frauen gegen Siemens, weil die Firma die Rücckehrgarantie gebrochen hat - kennen Sie sowas auch aus Bremen?

Ja, aber das wird nicht so öffentlich wie in München. Den Frauen werden nach der Rückkehr häufig Arbeitsplätze deutlich unterhalb ihrer Qualifikation angeboten, oder Arbeitsplätze mit familienunverträglichen Arbeitszeiten ... Viele verzichten dann von sich aus auf die Rückkehr in den Beruf. Problematisch an dieser Frauenförderung ist aber auch, daß Frauen eine Opferrolle einnehmen ...

Eine was...?

Ja, eine Opferrolle. Die Rückkehrgarantie zum Beispiel ist eine erstrittene Vergünstigung, die im Betrieb speziell auf Frauen zugeschrieben ist und damit zu einer zusätzlichen Diskriminierung gemacht wird. Ich weiß von Betrieben, wo aufgrund solcher erkämpften Sonderregelungen Frauen keine Chancen haben, in bestimmte Führungspositionen zu kommen.

Die Chefs meinen also, jetzt noch mehr Grund zu haben, eine Frau nicht einzustellen oder nicht zu befördern?

Ja. Deshalb werden diese Rechte zur zusätzlichen Behinderung. Das ist quer durch die Branchen so, bei Banken, im Einzelhandel, auch im Öffentlichen Dienst. Kucken Sie sich doch mal an, wer in den tatsächlichen Führungspositionen in Bremer Großbetrieben sitzt. Daß es in den Führungspositionen keine Frauen gibt, liegt nicht an einem Mangel an qualifizierten Frauen, sondern an Männerbünden.

... also an der Männerförderung.

Genau. Die funktioniert ja, ohne daß sie festgeschrieben ist.

Für die Führungspositionen im Öffentlichen Dienst gibt es ja nun das Mittel der Quote, funktioniert die denn?

Die Quote wird oft umgangen, indem plötzlich noch andere Maßstäbe als die gleiche Qualifikation angelegt werden.

Wie geht das denn?

Zum Beispiel haben zwar beide den gleichen beruflichen Abschluß, der Mann ist aber seit soundsoviel Jahren im Beruf, die Kollegin hat dagegen zwischendurch ein Kind gekriegt. Und schon stellt sich die Frage, was ist jetzt gleiche Qualifikation ... Natürlich gibt es Aussagen, daß zum Beispiel Erziehungszeiten nicht abträglich sein dürfen - aber in der Realität ist es eben häufig anders.

Außerdem scheint oft ein männlicher Bewerber in eine Stelle, die vorher männlich besetzt war, besser reinzupassen als eine Frau. Man müßte also vorher genau festlegen, was ist notwendig für diese Position, und dürfte nicht danach gucken, daß jemand möglichst nahtlos ins Getriebe reinpaßt.

Die Frage ist doch auch, ob man Qualifikation nur am Arbeitsplatz oder auch bei der Familienarbeit erwirbt. Eine Mutter von zwei, drei Kindern hat eine Menge Managemenent und Organisationstalent entwickeln müssen. Warum kann nicht diese erworbene Fähigkeit Bestandteil der Qualifikation sein? Oder auch Fähigkeiten der Kommunikationsförderung ... sowas wird ja bislang einfach unentgeltlich mitgenutzt, ist aber nicht Bestandteil eines Stellenprofils.

Sie plädieren also für ganz andere Mittel der Frauenförderung als die Quote oder die Rückkehrgarantie, weil die unterlaufen werden?

Ja, die bisherige Frauenförderung geht ja immer von oben aus, baut aber nicht darauf auf, daß Frauen selber die Kompetenzen haben. Deshalb würde ich das dann auch „Frauenforderung“ nennen. Frauenförderung entwickelt jemand anderes für mich, Frauenforderung ist was, was ich selber entwickeln muß, sicher auch mal mithilfe von Betriebsräten.

Vor allem müßte viel stärker propagiert werden, daß die Veränderung für Frauen und für Männer notwendig ist; daß auch Männern deutlich wird, was sie davon haben, wenn die Arbeit demokratisiert und die Arbeitszeit verkürzt wird.

Wenn die aber lieber die Macht haben als weniger Arbeit? Daß viele Männer dem so viele Widerstände entgegensetzen, liegt doch nicht nur daran, daß sie's nicht kapieren.

Die nicht wollen, ändere ich aber auch mit dem Zwang von Frauenförderungsmaßnahmen nicht. Die Quote zum Beispiel führt doch bloß zu einer Entsolidarisierung von Männern und Frauen, wenn sie im Gerangel um einzelne Stellen gegeneinander ausgespielt werden. Das führt dazu, daß, wie in Bremen, einzelne Männer gegen die Quote klagen. Frauenförderung wird zum moralischen Appell, als Preis wird dem willigen Mann dafür das Prädikat „besserer Mensch“ verliehen.Männer setzen sich doch dann auch für die Verbesserung der Arbeitbedingungen für Frauen ein, wenn sie selbst einen Nutzen daraus ziehen: besseres Betriebsklima, interessantere Arbeitsgruppen, mehr Umsatz, die Chance auf aktive Vaterschaft, Inspiration, neue Produktideen.

Also Aufstand von unten. Wie soll das vor sich gehen?

Das kann man nicht verordnen. Aber es muß endlich in die Köpfe rein, daß die Frauen sich selber für ihre Interessen einsetzen müssen und auch können. Daß Betriebs- und Personalräte nicht sagen, was für die Frauen richtig und wichtig ist, sondern zum Beispiel Freiräume dafür schaffen, daß die Frauen selber rauskriegen, was sie wollen.

Dann kommt dabei wirklich eine Arbeitszeitverkürzung raus als oberstes Ziel, was bei den Gewerkschaften ja im Moment gar nicht mehr oberste Forderung ist. Dann kommen dabei ganz andere Arbeitszeitmodelle raus, die eben auch dazu führen, daß Frauen und Männer sich wirklich die Arbeit so einteilen können, daß sie in der Familienphase weniger und hinterher wieder mehr arbeiten können. Dann kommt dabei raus, daß man mitbestimmen kann, was und wie produziert wird.

Solche Prozesse setzen viel tiefer an als die klassische Frauenförderung und bewirken was für Frauen und für Männer. Ein solcher Prozeß verändert das Kommunikationsklima und die Unternehmenskultur derart, daß er in Krisenzeiten nicht einfach mehr zurückgedreht wrden kann.

Würden Sie auch die Frauenbeauftragten abschaffen?

Das ist eine Gewissensfrage. Ich glaube, wir brauchen sie, weil sie damit, daß sie da sind, deutlich machen, daß es noch keine zufriedenstellende Regelung gibt. Aber Frauenbauftragte allein reichen bei weitem nicht. Außerdem gibt es noch nicht mal im Öffentlichen Dienst überall Frauenbeauftragte. In machen Behörden haben sich die Frauen dagegen entschieden, weil die Frauenbeauftragten für diese Arbeit nicht freigestellt werden,. Einige Gewählte sind zurückgetreten, weil sie diese Mehrarbeit einfach nicht leisten konnten.

Wieviel Freundinnen haben sie denn für Ihre Ideen?

Es gibt in der Bremer Gewerkschaftsszene relativ viele Frauen, die einer ähnlichen Meinung sind. Aberr die Diskussion um die Frauenförderung ist sehr tabuisiert. Das, was jetzt als Frauenförderung läuft, darf man nicht angreifen, weil das angeblich dazu führt, daß man dem Arbeitgeber in die Hände arbeitet, schließlich habe man das ja mit viel Mühen erkämpft. Auch in Teilen der ÖTV Bremen wird das so diskutiert, daß meine Äußerungen eine Unverschämtheit seien. Gespräch: Christine Holch

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