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Die 'Prawda‘ ist pleite

Moskau (ap) — Kurz vor dem 80. Geburtstag kam das Aus für die 'Prawda‘, das einstige Sprachrohr der Parteiführung im Kreml. Am 5. Mai 1912 wurde die Tageszeitung als Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Rußlands begründet — nicht von, sondern „auf Initiative“ Wladimir Iljitsch Lenins, wie der Zeitungskopf seit 1991 wahrheitsgetreu vermeldet. Am Samstag wird die Zeitung wegen Geldmangels ihr Erscheinen einstellen — vorläufig, wie die Redaktion hofft. Doch es sieht so aus, als sei nach dem Ende des von Lenin begründeten Staates, der Sowjetunion, jetzt auch das Ende ihres publizistischen Symbols gekommen.

Als „kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator der Werktätigen“, so verstand sich die 'Prawda‘ selbst. Jahrzehntelang war sie das Musterbeispiel für sowjetischen Verlautbarungsjournalismus. Man mußte sie lesen — doch nur mit Widerwillen quälte sich der Leser durch seitenlange Protokolle, um zwischen den Zeilen einen Funken „Prawda“ (Wahrheit) zu finden.

Den Anschluß an neue Zeiten verpaßte das Zentralorgan. Andere Blätter wie die 'Iswestija‘, 'Moskowskie Nowosti‘, 'Argumenty i Fakty‘ schlugen den Kurs der Perestroika ein. Sie erschrieben sich mit kritischem Journalismus das Vertrauen der Leserschaft, was sich in steigenden Auflagezahlen und wachsender Ertragskraft niederschlug. Die 'Prawda‘ stand jeweils da, wo das Zentralkomitee der KPdSU sie hinstellte — auch während des Putsches im vergangenen Jahr.

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