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■ Die „Polizeiaktion“ der Kroaten in den besetzten GebietenKrieg führen und verhandeln

Daß sich die internationalen politischen Koordinaten des Kriegs in Bosnien und Kroatien langsam, aber sicher verändert haben, ist an den Reaktionen auf den Angriff der kroatischen „Polizei“ in Okucani abzulesen. Gab es noch während der Januar-Aktion 1993, als einige Quadratkilometer Territorium bei der Hafenstadt Zadar von den Kroaten zurückerobert wurde, einen Aufschrei der Entrüstung, auch in der deutschen Presse, so fallen heute die Urteile milder aus. Langsam hat sich die Meinung durchgesetzt, daß Kroatien das Recht hat, die serbischen Eroberungen in Kroatien rückgängig zu machen. Und vielerorts dämmert sogar die Einsicht, daß niemand anders als die serbischen Nationalisten, die so gern das Wort vom „kroatischen Faschismus“ im Munde führen, 1991 mit der Vertreibung der kroatischen Bevölkerung aus dem von ihnen besetzten Gebieten die Politik der „ethnischen Säuberungen“ eingeleitet haben.

Für die kroatische Politik besteht jetzt die Chance, vor aller Welt zu zeigen, daß Kroatien diesem Vorbild nicht folgen wird. Die ersten Äußerungen des Präsidenten geben zu dieser Hoffnung Anlaß. Tudjman hat jetzt die Chance, seine eigene Behauptung von der „höheren Kultur der Kroaten“ zu verifizieren. Nur ein faires Verhalten gegenüber der serbischen Bevölkerung in den rückeroberten Gebieten wird seine Position national wie international festigen können. Für serbische Nationalisten wäre es nämlich undenkbar, ein solches Verhalten an den Tag zu legen.

Der Wind hat sich gedreht. Der serbische Faschismus hat den Krieg noch nicht gewonnen. Ob es nun ein Geraune über Geheimabkommen zwischen Milosević und Tudjman gibt oder nicht, fest steht, daß die serbischen Streitkräfte jetzt lernen müssen, militärische Niederlagen hinzunehmen. International setzt sich, sieht man einmal von der offenen russischen Unterstützung für Milosević ab, die amerikanische Haltung durch: den serbischen Eroberern buchstäblich die Grenzen klarzumachen. Die jüngsten und die noch zu erwartenden Niederlagen des serbischen Militärs sind zudem ein Nährboden für eine ernsthafte und echte serbische demokratische Opposition.

Diese Strategie – die begrenzte militärische Aktion, kombiniert mit diplomatischen Initiativen – scheint erfolgversprechend, den Krieg endlich zu einem Ende zu führen und sowohl Kroatien wie auch Bosnien-Herzegowina wiederherzustellen. Erfolgreicher jedenfalls als die bisherige Diplomatie und die UNO-Politik zusammengenommen. Während es der UNO und den Verhandlungen der EU in den letzten Jahren lediglich gelungen ist, den Krieg endlos zu verlängern, ist mit den neuesten Entwicklungen endlich ein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Erich Rathfelder

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