piwik no script img

■ Die Polizei und kleine Fische – mal andersAquarium und Akribie

Karlsruhe (taz) – Eigentlich war es eher ein hypothetisches Problem, das Kriminalhauptkommissar Bernhard Amann umtrieb. In seiner Abteilung des Karlsruher Polizeipräsidiums versehen mehrere Zierfischzüchter ihren Dienst, die – wie auch Bundeskanzler Kohl höchstpersönlich – selbst in dienstlichen Räumen nicht auf ihr Aquarium verzichten mögen. Als der Landtagsabgeordnete Amann, der jeden Montag auch noch seine Uniform anzieht, mit den Kollegen einmal über das Hobby plauderte, kam das Gespräch auf die ungeklärte Schadensregulierung bei Glasbruch und anschließendem Wasserschaden im Büro. Polizist ist, wer zuerst an Vorbeugung denkt, und also ging der frühere „Republikaner“ und jetzt fraktionslose Abgeordnete die Sache akribisch an – mit einer Anfrage im Stuttgarter Landtag.

Amanns kleine Anfrage zur „Modernen Tierhaltung in Polizeidienstzimmern“ im O-Ton: „Ist die Haltung mit Zierfischaquarien in Polizeidiensträumen grundsätzlich statthaft?“ Außerdem wollte der Polizist wissen, ob die Fische einer besonderen Fürsorgepflicht unterliegen und wer als „Kostenträger für Wasser und Strom verantwortlich“ sei. Innenminister Frieder Birzele (SPD) stellte dann in seiner Stellungnahme folgendes klar: Zierfische dürfen in Polizeistuben schwimmen, „soweit dienstliche Belange nicht beeinträchtigt werden“. Auf jenden Fall müssen aber die Vorschriften des Tierschutzrechts eingehalten werden, und laut Landeshaushaltsordnung komme „insbesondere die Erhebung einer Stromkostenpauschale in Betracht“. Amann triumphierte: „Jetzt darf jeder Beamte Zierfische halten.“ Doch weder er noch der Minister kannte die tatsächliche Brisanz der Zierfischfrage. Die Tübinger Landespolizeidirektion (LPD) hatte nämlich bereits vor zwei Jahren jede Tierhaltung durch Polizeibeamte in ihrem Bereich untersagt. Im Dienstzimmer von Rainer Hähle, Einstellungsberater bei der Tübinger Direktion, sprudelte zu dieser Zeit schon seit drei Jahren unbeanstandet ein Aquarium. Dann kam das LPD- Schreiben, und Hähle mußte das Wasser ablassen.

LPD-Sprecher Uwe Seidel sieht die Fischfrage etwas enger als sein Minister: „Die Beamten sind in erster Linie im Dienst, um zu arbeiten und nicht etwa, um Tiere zu pflegen.“ Gerade zur Diskussion um die „Verschlankung“ des öffentlichen Dienstes passe nun mal schlecht die Tierhaltung im Büro. Im übrigen fragt sich Seidel: „Wo sollen wir die Grenze ziehen? Fische bis zehn Zentimeter? Hunde nein, Katzen ja? Da fehlen einfach die Kriterien.“ Praktische Hemmnisse kommen dazu. Man denke nur an einen Wasserschaden an Polizeiakten. Und die Pflege? „Tiere richten sich in ihren Ansprüchen schließlich nicht nach der Dienstzeit“, weiß der Polizeisprecher. Darum bleibt es trotz ministerieller Erlaubnis in Tübingen beim fischfreien Dienstzimmer.

Enttäuschend für Rainer Hähle: „Wenn ich dürfte, würde ich morgen früh Richtfest mit einem neuen Aquarium feiern.“ Das Argument mit der verplemperten Dienstzeit will er nicht gelten lassen: „Ich habe die zehn Sekunden zur Fütterung selbstverständlich immer in meine Freizeit gelegt.“

Im Innenministerium gibt man der LPD bedingt recht: Die Zierfischfrage sei eine typische Frage, die im Zuge der Neuordnung der Verwaltung in die Verantwortung niedrigster Dienststellen verlagert werden könne. Notfalls sei auf Rechtseinheitlichkeit zu verzichten – zumal die Belange der Verbrechensbekämpfung kaum berührt würden. Auf eine ministerielle Weisung brauche man nicht zu warten: „Ein Zierfischerlaß eignet sich kaum zur Zierde des Ministers.“ Joachim Zepelin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen