: Die Peripherie des Ingenieurs anreichern
■ Arbeitslose Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen wurden in einem Modellversuch zu FertigungsassistentInnen weitergebildet / In der Fabrik der Zukunft sollen die neuen HilfsingenieurInnen Rand
Die Peripherie des Ingenieurs anreichern
Arbeitslose Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen wurden in einem Modellversuch zu „FertigungsassistentInnen“
weitergebildet / In der Fabrik der Zukunft sollen die neuen HilfsingenieurInnen „Randaufgaben“ bei der Einführung neuer Produktionstechniken wahrnehmen
Wenn es nach Professor Spur und Wirtschaftssenator Pieroth geht, sollen arbeitslose Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen künftig die „Peripherie des Ingenieurs anreichern“. In einem anderthalbjährigen Modellversuch wurden 14 SoziologInnen, PolitologInnen und SozialpädagogInnen zu „FertigungsassistentInnen“ für den industriellen Bereich weitergebildet. Sie sollen Aufgaben am Rande des ingenieurwissenschaftlichen Arbeitsbereiches, zu denen sie aufgrund ihrer sozialwissenschaftlichen Grundausbildung eventuell besser geeignet sind, wahrnehmen. Dabei ist vor allem an die Bereiche Weiterbildung und Betriebsorganisation bei der Einführung neuer Produktionstechniken gedacht. Durchgeführt wurde das achtzehnmonatige Trainingsprogramm in Kooperation von FU und dem Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Kontruktionstechnik (IPK). Der Wirtschaftssenat förderte die Maßnahme mit insgesamt 400.000 DM.
Zunächst wurden die TeilnehmerInnen mit den Grundlagen der Produktionstechnik vertraut gemacht. Die Einführung erstreckte sich vom dreiwöchigen Metallpraktikum mit Feilen und Fräsen über das technische Zeichnen bis zu CAD und zur Robotertechnik. „Schon nach kurzer Zeit war nach draußen nicht mehr erkennbar, daß sie keine technische Ausbildung hatten“, beschreibt Günter Spur, Leiter des IPK, die wunderbare Verwandlung der Sozialwissenschaftlernnen in Hilfsingenieure. Nach dieser Einführungsphase wurden die künftigen „Fertigungsassistenten“ in Forschungsprojekte des IPK integriert. Die FertigungsassistentInnen - fünf der vierzehn Teilnehmer des Modellversuchs waren Frauen erarbeiteten untzer anderem Rationalisierungs- und Qualifizierungskonzepte für industrielle Auftraggeber.
Als einmalige Chance bezeichnet Stefan Reisch, Soziologe und FU-Absolvent, das Weiterbildungsangebot: „Training on the Job - wo findet man das schon?“ Er habe sich schon während seines Studiums mit Industriesoziologie beschäftigt, und es habe ihn gereizt, industrielle Umstrukturierungsprozesse nicht länger im nachhinein zu untersuchen, sondern vor Ort zu verfolgen. Daß durch die neuen Produktionstechniken - Teilautomatisierung und Industrieroboter - traditionelle Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, bereitet den frischgebackenen FertigungsassistentInnen keine Kopfschmerzen. „Ich kann meine Arbeit mit gutem Gewissen auch als Sozialwissenschaftler vertreten“, erläutert Hermann Edeler, ebenfalls Soziologe. Alle vierzehn ProgrammteilnehmerInnen wurden vor Kursbeginn in persönlichen Auswahlgesprächen auf ihre Belastbarkeit und die Bereitschaft, in der Industrie zu arbeiten, geprüft.
Als ersten Schritt zur Überwindung gegenseitiger Vorurteile zwischen Ingenieuren und Geistes- und Sozialwissenschaftlern bezeichnete Institutsleiter Professor Spur den Modellversuch. „Wir haben ja zwanzig Jahre nicht miteinander geredet. Die Soziologen kennen die Basis unseres technischen Fortschritts nicht und kommen daher zu Fehlurteilen.“ Das IPK will im nächsten Durchgang weitere 20 FertigungsassistentInnen ausbilden, und beim Wirtschaftssenator wird über die Ausweitung des Programms nachgedacht.-guth
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