: Die Papiere des Paten
Pralle Musikgeschichte aus der Feder von Gerd Augustin: Der „Pate des Krautrock“, bekannt aus Funk und offenem Kanal, schlägt – „speziell begnadet“ – den Bogen von Hollywood nach Bremen
„Wenn Udo das Wort Popstar in den Mund nahm, dann lachten wir alle laut los. Ihm hätte das wirklich keiner zugetraut.“ Solche Lindenberg-Anekdoten liest man gern. Zumal man auch erfährt, dass der frühere Schlagzeuger in Klaus Doldingers „Passport“ gern Gärtner geworden wäre, wozu es ja leider nicht kam. Nachblättern kann man das jetzt alles in den 400 Seiten, die Gerd Augustin unter dem Titel „Pate des Krautrock“ herausgebracht hat.
Der Pate ist Augustin natürlich selbst, und wer dessen dienstägliche Beiträge im Offenen Kanal Bremen verfolgt, weiß auch warum: Augustin hat als Manager und Produzent vor allem die zehn Jahre seit den späten 60ern geprägt, in der der „Krautrock“ als rockig-elektronischer Sound den Weg frei machte für späteren Underground in Form von Punk und Neuer Deutscher Welle. Darüber gibt es natürlich jede Menge zu berichten. Was Augustin, „ein auf spezielle Weise begnadeter Erzähler“, wie der „Musikexpress“ jetzt schreibt, zu Papier gebracht hat, käme „einer Ahnung von dem, was da wirklich war, schon ziemlich nahe“.
Was also war da? Wilde Gruppen wie Canned Heat, Popol Vuh und Amon Düül II, deren ausschweifendes Kommuneleben zwischen Hasch und Hirse ein ergiebiger Erinnerungsstoff ist. Das Fachmagazin „Gitarre &Bass“ schreibt – im Rahmen einer durchaus kritischen Würdigung –: „Das ist ein Buch, das wesentlich mehr enthüllt, als es der Autor eigentlich will (...) ich glaube kaum, dass Biolek Herrn Augustin noch zum Haschischplätzchenbacken in seine Sendung einlädt.“
Augustin selbst lädt übrigens auch niemand mehr in seine Offene Kanal-Sendungen ein: Mit despektierlichen Äußerungen über diverse Bremer CDU-Politiker handelte er sich vor knapp einem Jahr ein temporäres Sendeverbot ein. Seitdem moderiert er sich leider nicht mehr live, sondern beschränkt sich auf das Zeigen der vielen selbst gedrehten Musikfilme aus seinem privaten Großarchiv.
Dafür haben jetzt schon fast 3.000 Leute Augustins Buch gekauft. Nächste Woche liest er auf der Berliner Popkom, dann wieder für die Bremer „Thalia“. Augustins Buch ist nicht nur spannend als Musikgeschichte des ersten deutschen Underground-Jahrzehnts, sondern auch wegen der Lokalhistorie – eine Bremer Jugend in den 50er und 60ern.
Augustin beschreibt das Glück, „als wir für eine erste große Party 12 Singles zusammen hatten“. Letztendlich wurde dann fast durchgehend „Love me Tender“ von Elvis Presley aufgelegt – aber: „es war ein Rausch!“ Der fortgesetzt wurde in der „Lila Eule“, damals noch am Brill gelegen. Die „Gondel“ war kein Kino, sondern eine wichtige „Tanzdiele“, allerdings getoppt von der „Waller Grotte“. Entscheidend wurde dann der Twen-Club, wo Augustin als einer der ersten DJs Deutschlands auflegte. Sehr zum Missfallen seines Vaters. Der war nämlich Sparkassenleiter, immerhin macht es der Bruder richtig und wurde General.
Der Beginn von Augustins eigenem Karriereweg: Mit dem Kohledampfer MS Erna Legenhusen 1962 über den Atlantik, wo er eifrig in der Szene rumtourte. Bei der Heimkehr importierte er die Beatclub-Idee nach Deutschland (siehe nebenstehendes Interview) und arbeitete anschließend bei Liberty Records/United Artists Records – damals das progressivste deutsch-amerikanische Label. Seit zehn Jahren lebt Augustin wieder in Marßel bei Bremen. HB
Augustin liest am 25. September um 18 Uhr im „Römer“ (Fehrfeld 31). Ab 20 Uhr legt er dortselbst bei der Veranstaltung „Beat Club goes Römer“ auf