Die PLO überwindet ihre Spaltung

■ Am Montag begann die Tagung des palästinensischen Exilparlaments in Algier / Mehr Mitspracherechte für Arafats Opponenten möglich / Aufkündigung des Abkommens zwischen Arafat und dem jordanischen König Hussein / Beziehungen zu Ägypten umstritten

Aus Algier Joseph Kaz

Unter der Ägide von PLO–Chef Arafat ist am Montag die 18. Sitzung des palästinensischen Nationalrats (Exilparlament) in Algier eröffnet worden, die zu einer Wiedervereinigung des seit 1983 gespaltenen Dachverbandes führen dürfte. Die Rückkehr pro–syrischer Palästinenser–Organisationen in den Schoß der PLO geht auf die mehr als einjährigen Bemühungen der Sowjetunion und Algeriens sowie - seit kurzem - auch Libyens zurück. Damit findet die im libanesischen „Lagerkrieg“ gegen die schiitischen Amal–Milizen wiedergefundene Einheit auch ihre Entsprechung auf politischer Ebene - eine deutliche Niederlage für den syrischen Staatschef Assad, der die palästinensischen Arafat–Kritiker wie auch die Amal unterstützt hatte. Den 420 Delegierten des Nationalrats (PNC) kommt nun die Aufgabe zu, die Politik der PLO gegenüber Jordanien, Ägypten und Syrien neu zu bestimmen. Außerdem wird Arafat seinen einstigen Opponenten ein größeres Maß an Mitsprache auf der Entscheidungsebene einräumen müssen. Bezeichnenderweise findet die Tagung des PNC unter dem Banner der „Nationalen Einheit“ und des „Widerstandes in den Lagern (im Libanon) und in den (von Israel) besetzten Gebieten“ statt. Die Einberufung des Exilparla ments war durch Verhandlungen zwischen den drei größten Guerilla–Organisationen möglich geworden: Arafats Al Fatah, Rückgrad des Dachverbandes PLO, der radikalen und bisher mit Syrien verbündeten „Volksfront“ (PFLP) unter George Habasch und der Moskau–orientierten „Demokratischen Front“ von Najef Hawathmeh, ebenfalls in Damaskus ansässig. Die Beteiligung der PFLP am innerpalästinensischen Dialog war entscheidend für die Wiedervereinigung der PLO. Die PFLP bildete bisher die wichtigste Kraft in einer pro–syrischen Koalition, der „Palästinensischen Nationalen Rettungsfront“. Die aktive Beteiligung ihrer Kämpfer bei der Verteidigung der Palästinenserlager im Libanon hatte den Weg für eine Überwindung der Spaltung freigemacht. Seither ist die „Rettungsfront“ gespalten. Nur drei Organisationen sind dem Nationalrat ferngeblieben: die von Syrien abhängige Saika, die Fatah–Dissidenten und die Organisation von Ahmad Jibril, der noch vor kurzem am libyschen Geldtropf hing und erbitterter Gegner Arafats ist. Bei dem Streben nach Einheit um jeden Preis geht es auch darum, das ganze Gewicht der PLO als einzig legitimer Repräsentantin des palästinensischen Volkes bei eventuellen Nahost–Friedensverhandlungen ins Gewicht zu werfen. Dies erleichterte es der PLO– Zentrale auch, sich unter bestimmten Bedingungen mit Abu Nidal und seiner Gruppe wieder ins Einvernehmen zu setzen. Ein erstes Treffen zwischen Arafat– Vize Abu Jihad und Abu Nidal hat den Weg für die Teilnahme seiner Gruppe an den Vorbereitungsgesprächen eröffnet. Abu Nidal, bekannt für seine Anschläge in Westeuropa und die Ermordung gemäßigter PLO–Politiker, verfolgt von Algier aus diskret den Verlauf der Dinge. Seine Gruppe wird am PNC jedoch nicht teilnehmen, denn zuvor muß die Rechnung mit Al Fatah, deren Mitglied Abu Nidal früher war, beglichen werden. Doch Abu Nidal hat sich schon bereiterklärt, dem Terrorimus zu entsagen. Mühsame Schritte zur Einigung Die Wiedervereinigung der PLO, Herzensanliegen Arafats wie auch seiner Kritiker, ging nicht ohne Auseinandersetzungen und Kompromisse über die Bühne. Während die Radikalen auf Distanz zu Syrien gingen, mußten die Gemäßigten das Abkommen von Amman aufkündigen, das im Jahre 1985 zwischen Arafat und König Hussein geschlossen, seit 1986 von dem Monarchen jedoch eingefroren worden war. Die Forderung nach dem Abbruch der Beziehungen Arafats zu Ägypten war am Vorabend des PNC noch umstritten. Für die Radikalen ist es inakzeptabel, daß die PLO–Zentrale mit dem einzigen arabischen Land Bindungen unterhält, das einen Friedenvertrag mit dem feindlichen Israel geschlossen hat. Für die Anhänger Arafats ist Ägypten dagegen das unverzichtbare Sprungbrett, um an möglichen Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Palästinenserproblems, namentlich einer internationalen Nahost–Konferenz, teilzunehmen. Doch Arafat ließ sich etwas einfallen, um aus dieser Sackgasse wieder herauszukommen. Auf ein Angebot Assads an seinen Erzfeind Arafat, dieser sei in Damaskus willkommen, wenn er die Beziehungen zu Ägypten abbräche, reagierte der PLO–Chef mit dem Vorschlag, eine Sitzung der sogenannten Ablehnungsfront einzuberufen. Damit hat Arafat dafür gesorgt, daß Assad und seine restlichen Opponenten mit dem Rücken zur Wand stehen. Denn die Ablehnungsfront, seit Jahren in tiefem Schlummer versunken, war nach dem Besuch des damaligen ägyptischen Staatschefs Sadat in Jerusalem im Jahre 1977 ins Leben gerufen worden. Zu ihr zählen - außer der PLO - Syrien, Libyen, Algerien und Südjemen. Doch Arafat ist durchaus zu einer Aussöhnung mit Assad bereit, vorausgesetzt, die PLO steht einig hinter ihm. Wenn diese Sitzung des Nationalrates auch unter dem Stichwort der Einheit über die Bühne gehen wird, sind damit die Schwierigkeiten der PLO, als Verhandlungspartner akzeptiert zu werden oder die Anerkennung der Rechte des palästinensischen Volkes durchzusetzen, nicht aus dem Weg geräumt. Die Position Israels wie auch die Blockierung des Friedensprozesses durch die Ablehnung der USA und die Schwäche der arabischen Welt waren der palästinesischen Sache nicht förderlich. 22 Jahre des bewaffneten Kampfes und politischer Initiativen beweisen dies. Arafat hat jedoch demonstriert, daß es unmöglich ist, die PLO zu eliminieren, zu ersetzen oder zu vernachlässigen.