■ Die PKK-Führung folgt dem Aufruf Öcalans: Nun ist Ecevit am Ball
Ob mit zusammengebissenen Zähnen oder aus eigener, innerer Überzeugung: Die PKK-Führung hat sich erneut hinter ihren Führer Abdullah Öcalan gestellt. Ihre Kämpfer sollen den bewaffneten Kampf ab dem 1. September einstellen und sich aus der Türkei zurückziehen. Damit ist nun der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit am Ball.
Seit Öcalans Gefangennahme hatte die türkische Öffentlichkeit darüber spekuliert, ob „Apo“ bereit sein würde, seine Leute zur Einstellung des Kampfes aufzufordern. Bei den bisherigen Friedensappellen des PKK-Chefs wurde darüber gerätselt, ob der nur seinen Kopf retten oder tatsächlich daran mitwirken will, die gewaltsamen Auseinandersetzungen zu beenden. Als Öcalan nun seine Leute aufforderte, den Kampf ohne Bedingungen einzustellen, war die allgemeine Frage, ob er in seiner Organisation noch die Autorität besitzt, diesen Schritt durchzusetzen.
Auch jetzt wird von einem Teil der türkischen Medien und Politiker darauf hingewiesen werden, dass die PKK ja nur noch propagandistisch verwerte, was faktisch längst geschehen sei. Militärisch sei die Guerilla sowieso erledigt, und im Übrigen werde sie ja auch nicht die Waffen abgeben, sondern sich nur zur Erholung aus der Türkei zurückziehen.
Bisher hat die PKK es den Propagandisten des türkischen Staatsapparates sehr leicht gemacht – aber jetzt wird diese Replik nicht mehr ausreichen. Nicht gegenüber der kurdischstämmigen Bevölkerung, nicht gegenüber der Wirtschaft, die seit langem darauf drängt, den kostspieligen Krieg im Südosten zu beenden, nicht gegenüber der kritischen Intelligenz und auch nicht gegenüber den eigenen Verbündeten EU und USA.
Ministerpräsident Ecevit hat bislang in der Kurdenfrage vorsichtig agiert und auf Zeit gespielt. Er hat mit dafür gesorgt, dass es einen halbwegs fairen Prozess gegen Öcalan gab, und er versucht nun, die Straffreiheit für PKK-Mitläufer durchs Parlament zu bringen. Ecevit hat die Debatte um die Kurdenfrage nicht zu behindern versucht, aber selbst öffentlich immer die uralte Position bezogen, es gebe gar keine Kurdenfrage, sondern nur ein soziales Problem.
Wenn die PKK tatsächlich den bewaffneten Kampf einstellt, wenn die territoriale Integrität der Türkei von niemandem mehr in Frage gestellt wird, dann gibt es überhaupt keinen Grund mehr, der kurdischen Minderheit in der Türkei ihre kulturellen Rechte vorzuenthalten. Die Frage jetzt ist, ob Ecevit den Mut dazu hat. Jürgen Gottschlich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen