piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Ngulu-Affäre

Biete Künstlervisum gegen Geld: In Afrika ist Papa Wemba ein Superstar der kongolesischen Soukous-Musik, der sich auch für amnesty international engagiert. In Belgien wird er nun allerdings wegen Menschenschmuggels angeklagt

Einer der lukrativsten Jobs in afrikanischen Armenhäusern wie Mali war lange Zeit der des Zöllners. Gefolgt von dem des Musikers. Der Grenzbeamte konnte – gegen eine gewisse „Gebühr“ natürlich – den obligatorischen Zoll erlassen. Und Musiker zählen in ganz Afrika zu den wenigen Berufsgruppen, die vergleichsweise leicht an ein Visum für Europa kommen.

Einige haben gemerkt, dass sich dieser Vorteil in bares Geld verwandeln lässt. Mit der Verhaftung des kongolesischen Superstars Papa Wemba ist das Thema nun erstmals in die Schlagzeilen gekommen. Seit dem 20. Februar sitzt der Sänger aus dem Kongo unter dem Vorwurf, als Schleuser tätig gewesen zu sein, in Paris im Gefängnis. Der Prozess beginnt am 11. April.

Papa Wemba gilt im Kongo als Superstar des Soukous, der kongolesischen Rumba-Variante, und zählt schon seit mehr als zwei Dekaden zu den Größen eines Genres, das sich in ganz Zentralafrika großer Beliebtheit erfreut. Hierzulande ist der Sänger in den Neunzigerjahren durch seine Zusammenarbeit mit Peter Gabriel sowie sein häufiges Engagement für Benefizaktionen humanitärer Organisationen wie Greenpeace oder amnesty international bekannt geworden. Nun wird ihm vorgeworfen, in Zusammenarbeit mit Schlepperbanden einige hundert Personen nach Europa gebracht zu haben. „Ngulu“ wird diese Menschenfracht im Volksmund genannt. Auf Visaanträgen soll er sie als seine Musiker deklariert und dafür Summen von bis zu 3.500 US-Dollar kassiert haben. Seine letzte Reise mit einem guten Dutzend angeblicher Musiker endete nun am 20. Februar auf dem Flughafen in Brüssel.

Papa Wemba selbst ist geständig, nennt aber keine Mittäter. Zugleich verwundert es ein wenig, dass die Mitarbeiter der französischen und belgischen Botschaften so gar nicht von diesen Geschäften Wind bekommen haben sollen. Denn wie konnte Papa Wemba über Jahre hinweg immer neue Antraglisten mit oft um die 20 Personen genehmigt bekommen, von denen viele nie zurückkehrten? Und das, wo weithin bekannt ist, dass der Soukous-Star mehrere Bands gleichzeitig unterhält: zwei im Kongo und eine in Europa?

Aus Paris wird unterdessen kolportiert, dass einige andere bekannte Musiker, die dort ihren Wohnsitz haben, schnell in den Kongo zurückgereist sein sollen, aus Angst vor ihrer Verhaftung. Schließlich hatte es schon Vorboten für die Aktion der belgischen Behörden gegeben. So war auch der kongolesische Sänger Werrason unlängst in Brüssel festgehalten worden, weil auch hier der Verdacht bestand, er handele mit Visa. Doch Werrason kam frei, weil ihm konkret nichts nachgewiesen werden konnte und er dem Gericht detailliert beschrieben haben soll, wie die Visageschäfte funktionieren. Für seine letze Konzertreise soll Werrason noch über hundert Visa für seine „Delegation“ bekommen habe. Heute, nach der Wemba-Affäre, sind es nur mehr 20.

Die Presse im Kongo hat Papa Wemba für sein Fehlverhalten größtenteils mit scharfen Worten kritisiert. Viele seiner Fans aber bedrängen nun die Regierung, ihrem Idol zu helfen. Die windet sich unter dem Druck der Öffentlichkeit, kann aber wenig tun, da Papa Wemba die belgische Staatsangehörigkeit besitzt und seine Schuld gestanden hat.

Überraschend kommt der „Skandal“ um Papa Wemba vor allem für Europa, zeigt er doch, dass auch der Kulturaustausch nicht in einem luftleeren Raum vor sich geht; globale Machtverhältnisse lassen sich nicht ausblenden. Für Afrika ist er Teil eines Alltags, der längst auch die Moral ausgehöhlt hat. Dennoch ist es ernüchternd, dass gerade Papa Wemba, der für sein soziales Engagement bekannt war und als eine Art kultureller Botschafter des Kongo gilt, so etwas nötig hat. Leiden werden unter seiner Geschäftspraxis nun vor allem die ehrlichen, professionellen Musiker, die es jetzt noch schwerer haben werden, an europäische Visa zu kommen. Das leidige Thema zählt ohnehin für Konzertveranstalter, Agenten und Plattenfirmen in Europa zu den arbeitsintensivsten, nervigsten und oft frustrierenden Bereichen ihrer Arbeit. Auch sie leiden unter den komplizierten Visaprozeduren, die oft genug noch in letzter Minute selbst vertraglich vereinbahrte Konzerttourneen in Frage stellen.

Die belgischen Beamten jedenfalls sind mittlerweile dazu übergegangen, Musiker an ihren Grenzen gesondert zu kontrollieren. Sie lassen sie einzeln vorspielen um zu hören, ob es sich wirklich um Musiker handelt. Gut möglich, dass sich die Musikschulen in Kinshasa demnächst eines größeren Zulaufs erfreuen werden. JAY RUTLEDGE