Die Netz-US-Serie "Dr. Horrible": Weg aus der Krise
Der wichtige US-Serienmarkt hat sich 2008 stark verändert. Die kleine Serie "Dr. Horrible" steht nun für ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell.
![](https://taz.de/picture/383347/14/drhorr.jpg)
Bis vor wenigen Jahren ging im TV-Geschäft in Hollywood alles den gewohnten Gang: In der sogenannten Pilot Season orderten die großen TV-Netzwerke jede Menge neue Comedy- und Drama-Pilotfolgen, von denen sie dann eine Auswahl schließlich ins Fernsehen brachten.
Schalteten genügend Zuschauer ein, wurde aus einer solchen Serie oft über Jahre ein prima Geschäft: Stars und Produzenten verdienten Millionen, die Sender dank der Werbeeinnahmen nochmals ein Vielfaches. Als Bonus kamen das ausländische Auswertungsgeschäft und, seit Mitte der 90er, der DVD-Absatz hinzu. Dabei entstanden neben allerlei Schrott auch viele Perlen: Shows wie "The Sopranos" oder "Seinfeld" wären in anderen Ländern nicht machbar, schon weil die Budgets dort kleiner sind. In Hollywood sind sie machbar.
Allein, die Maschine stottert.
Werbeeinnahmen und Zuschauerzahlen gehen zurück. Immer mehr spezialisierte Fernsehstationen und das Internet fragmentieren den Markt. Hinzu kam der lange Streik der Drehbuchautoren, die an Online-Einnahmen beteiligt werden wollten. Ergebnis: In diesem Jahr hat sich die US-TV-Landschaft grundlegend verändert. Es wurden weniger Pilotfolgen bestellt, erstmals haben sonst viel beschäftigte Crews Probleme, genügend Aufträge zu erhalten. Die sogenannten Upfronts, bei denen die TV-Netzwerke ihre neuen Shows traditionell mit großem Pomp der Werbekundschaft präsentieren, fielen aus oder waren deutlich kleiner. Hollywood spürt die Krise.
Kreative TV-Produzenten suchen deshalb nach Auswegen, Joss Whedon etwa, der in den vergangenen Jahren gerade im Fantasybereich von sich reden machte, etwa mit "Buffy", "Angel" oder "Firefly". Während des Autorenstreiks schrieb er mit einigen Freunden und seinen Brüdern eine neue Miniserie, die er komplett über das Internet und später als DVD vertreiben wollte.
Das Ergebnis ist nun online: "Dr. Horrible" ist eine Mischung aus Comedy und Drama - verpackt in ein Musicalformat, gespielt von aufstrebenden Schauspielern wie Neal Patrick Harris ("How I Met Your Mother") und Nathan Fillion ("Desperate Housewives"). Das Projekt wurde mit einem "niedrigen sechsstelligen Betrag" finanziert, wie es hieß - Schauspieler und Crew erhielten also zunächst nur wenig Lohn. Auch der Vertrieb war innovativ: Eine Woche lang war die Serie kostenlos im Internet zu sehen, um dann für 2 Dollar pro Folge bei iTunes verkauft zu werden. Schon am ersten Tag brachen Whedons Server zusammen.
Im Gegensatz zu den großen Hollywood-Studios, für die Whedon sonst arbeitet, öffnete er seine Inhalte sofort für die ganze Welt: "Dr. Horrible" war über den Abrufdienst Hulu international zu sehen, der sonst aufgrund von "Rechteproblemen" (ergo: dem Wunsch der Medienkonzerne, in jedem Land einzeln Auswertungsverträge zu schließen) nur auf die USA beschränkt ist. Kaufen konnten Fans aus Europa oder Asien die Serie allerdings (noch) nicht: Nur in den iTunes-Läden für Kanada und die USA war sie zunächst verfügbar. Whedon verspricht allerdings, dass sich das bald ändert. Auch die geplante "Dr. Horrible"-DVD soll international verkauft werden.
Bislang ist noch unklar, wie viel Geld Whedon und seine Crew umgesetzt haben. Beobachter gehen aber davon aus, dass der Produzent sein Budget mehrfach wieder herausholt, was sicher nicht immer klappen wird, gerade dann nicht, wenn man nicht wie Whedon Promi-Produzent ist. Dennoch zeigt "Dr. Horrible", dass Fernsehen abseits der Medienkonzerne möglich ist. Die Branche muss den Ausweg aus der Krise nur rechtzeitig finden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau