: „Die NRW-Politik verhält sich schizophren“
Statt unverbindlicher Versprechungen brauchen die nordrhein-westfälischen Kitas Geld, sagt Petra Hepenstrick
taz: Frau Hepenstrick, die NRW-SPD fordert ab 2010 einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Einjährige. Eine realistische Forderung?
Petra Hepenstrick: Schön wär s, aber ich halte das für so gut wie ausgeschlossen. Ohne Gesetzesänderungen verändert sich nichts und solange es die nicht gibt, bin ich bei jedem der vielen Versprechen, die im Moment kursieren sehr skeptisch. In NRW gibt es zur Zeit für weniger als drei Prozent aller Unter-Dreijährigen Kitaplätze. Die Oppositionspartei fordert, dass es in drei Jahren 97 Prozent mehr gibt. Na ja.
Familienminister Armin Laschet verspricht, bis 2010 für 20 Prozent aller Kleinkinder ein Angebot zu haben.
Auch da bin ich skeptisch und wie bei der SPD-Forderung frage ich mich: Welche Qualität wird ein solches Angebot haben? In den Kindertageseinrichtungen in NRW wird eher Personal abgebaut. Die durch die sinkende Kinderzahl frei gewordenen Plätze in Kindergärten gehen zwar an Unter-Dreijährige. Die werden oft aber einfach ohne weiteres pädagogisches Konzept in die bestehenden Gruppen hineingepackt. So sollte frühkindliche Förderung bestimmt nicht aussehen. Aber auch das war abzusehen.
Wieso?
Den freien Trägern wurde bei der Verhandlung zum Kindertagestättengesetz im Familienministerium ganz deutlich gesagt: Von den demographischen Veränderungen muss auch der Finanzminister etwas merken. Wie so qualitativ hochwertige und beitragsfreie Kitas entstehen sollen, ist mir schleierhaft.
Auch die Beitragsfreiheit wird zur Zeit von vielen Parteien gefordert. Was finden Sie wichtiger: Kostenfreie Kitas oder mehr Kitaplätze?
Das sollte man auf keinen Fall gegeneinander ausspielen. Es ist für die Chancengleichheit in einer Gesellschaft zentral, dass eine Kita kostenfrei ist. Mehr Plätze für Kleinkinder sind aber auch fundamental wichtig, gerade auch für benachteiligte Kinder, die dort frühzeitig gefördert werden. Die NRW-Politik verhält sich da schizophren, sie fördert das gute Konzept Familienzentren und versucht an anderer Stelle zu sparen.
Land und Kommunen haben leere Kassen.
Gibt es wirklich kein Geld für Kinder? Das ist eine Frage der Prioritätensetzung. Überall in Deutschland versprechen Familienpolitiker, mehr für Kinder zu tun. Klar, das finden alle gut. Zahlen sollen das immer andere, deshalb reagiere ich inzwischen auf jeden Vorschlag auf Landes- oder Bundesebene skeptisch. Die wollen das eigentlich immer an die Kommunen weitergeben und die sagen: Wir haben nichts.
Haben sie ja auch nicht.
Es ist nicht unwirtschaftlich, in Kinder zu investieren, das müssten sich alle mal hinter die Ohren schreiben. Ein Kitaausbau bringt auch Arbeitsplätze. Gut geförderte Kinder sind auch Deutschlands wirtschaftliche Zukunft. Die Kinder lernen schon in der Kita, dass es zu teuer ist, Nachwuchs zu fördern. Wahrscheinlich werden sie sich gegen Kinder entscheiden und in zwanzig Jahren jammern alle über eine noch größere demografische Katastrophe.
INTERVIEW: MIRIAM BUNJES