: Die Moderne lebt trotzdem
■ Michel Petrucciani spielt Klavier und keiner quatscht dazwischen
Schon Keith Jaretts Stern ist seinerzeit in der Band des Saxophonisten Charles Lloyd aufgegangen. Als dieser Paradiesvogel der Jazz-Szene in den frühen 80er Jahren sein soundsovieltes Comeback lancierte, war es erneut sein gerade aktueller Pianist, dem man das Gelingen in erster Linie zuschreiben konnte. Michel Petrucciani, damals gerade mal 20 Jahre alt, ward flugs zur neuen Klavier-Eminenz ernannt – und ist als solche nach wie vor unbestritten im Amt.
Dabei macht es der 32-jährige Franzose keineswegs allen recht. Sein Bestreben, überflüssige Noten zu meiden, ist akribisch und verweist auf die hohe Bill Evans-Schule. Jenen souveränen Sachwalter einer Vielfalt pianistischer Errungenschaften der Jazztradition, hat Petrucciani hörbar beerbt und ist entsprechend weit damit gekommen. Bei der ständigen Weiterentwicklung seines Formenreichtums spielen – neben einer Vorliebe für impressionistische Motive – aber auch Einflüsse von Fats Waller und Thelonious Monk eine Rolle. Gerade rhythmisch Vertracktes fängt unter seinen Händen zu swingen an.
Es gibt wenige Musiker, denen man gerne zuhört, wenn sie sich an einem Prüfstein wie „Round about midnight“ mutwillig vergreifen. Zudem steht bei der Unerschrockenheit, mit der Petrucciani auch eigene Destillate interpretiert, mehr auf dem Spiel, als seine öffentliche Rolle – zuletzt im Gefolge des Talking-Bluesers Willemsen – vermuten läßt. Wenn er unangefochten drauflosmusiziert, veräußert sich die Kunst eines konsequenten Modernisten. Und so, wie die Dinge liegen, wird Michel Petrucciani für die Avantgarde wohl zeitlebens verloren bleiben.
Andreas Schäfler
Fabrik, Sonntag, 29.Januar, 21 Uhr
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