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■ Die Magnetschwebebahn gilt bis heute als zukunftsweisende Technik. Nur ist sie zu teuer, wie Bahn-Chef Hartmut Mehdorn gestern festgestellt hat: „Dass man für zwanzig Minuten Zeitersparnis zwölf Milliarden Mark ausgeben muss, das will uns nicht in den Kopf“Die sieben Tode des Transrapid

Totgesagte leben länger – aber irgendwann geht es auch mit ihnen zu Ende: Der Transrapid wurde über Jahrzehnte hinweg geplant, getestet, für tot erklärt und wiederbelebt. Gestern aber sagte jener Mann, der bei der für nächste Woche erwarteten Entscheidung das finale Wort hat, Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zwei entscheidende Sätze. Satz eins: „Die Strecke des Transrapids Berlin–Hamburg ist, so wie es aussieht, nicht in Ordnung.“ Und, in Bezug auf die billigere Alternative, eine ICE-Strecke zu bauen, Satz zwei: „Dass man für zwanzig Minuten Zeitersparnis zwölf Milliarden Mark ausgeben muss, das will uns nicht in den Kopf.“

Nach über 30-jähriger Planungszeit scheint dies das endgültige Aus für die Magnetschwebebahn zu bedeuten. Erste Planungen für den Transrapid gab es schon Ende der 60er-Jahre in den Schubladen einiger Industrieeuphoriker. Die Idee einer Magnetschwebebahn selbst ist noch älter. Sie stammt aus den 20er-Jahren. Aber in Europa konzentrierten sich die Verkehrsplaner auf Erweiterung und Verbesserung des Rad-Schiene-Systems. Erst 1984 nahm im Emsland eine Teststrecke für den Transrapid den Betrieb auf. Damals waren die Verbindungen Hamburg–Hannover und Bonn–Essen im Gespräch.

Über die Testphase ist der Transrapid bis heute nicht hinausgekommen. Dabei hat die Regierung Kohl seit 1992 alles unternommen, das Hightech-Baby auf die Stelzen zu bringen. Damals nahm Verkehrsminister Günther Krause (CDU) die Strecke Hamburg–Berlin in den Bundesverkehrswegeplan auf. 1994 folgte das entsprechende Gesetz – „schon damals mit einer Ach-und-krach-Mehrheit“, erinnert sich Georg Brunnhuber, verkehrspolitischer Sprecher der CDU im Bundestag. Im Bundesrat übten die Länder erbitterten Widerstand.

Holzmann, Bilfinger & Berger und Hochtief sind im April 1997 ausgestiegen. Ein Konsortium aus Adtranz, Siemens und Thyssen ist seitdem für die technische Entwicklung zuständig.

Noch. Denn seit der ehemalige Verkehrsminister Franz Müntefering im September letzten Jahres bekannt gab, die Bundesregierung würde – entgegen früheren Ankündigungen – doch nicht mehr als die im Koalitionsvertrag vereinbarten 6,1 Milliarden Mark für den Bau der Trasse zur Verfügung stellen, schien das Schicksal des Transrapid besiegelt: Die erwarteten Kosten addierten sich auf mittlerweile 9,1 Milliarden Mark. Den Schnellzug selbst sollte das Industriekonsortium vorfinanzieren. Die Deutsche Bahn sollte ihn gegen eine festgelegte Nutzungsgebühr mieten, die unabhängig von den Fahrgastzahlen und damit der Rentabilität für die Bahn sein sollte. Wieder läuteten die Totenglocken. Doch an seinem letzten Amtstag reichte Müntefering eine Rettungsidee hinterher: Die Strecke sollte einspurig gebaut werden. Es hagelte Proteste. Die Grünen sprachen von einer „Mogelpackung“, und SPD-Linke schickten einen Protestbrief an den Bundeskanzler.

Der Transrapid, meint die Verkehrsexpertin der SPD, Angelika Mertens, sei von der Vorgängerregierung als technologisches Prestigeprojekt geerbt worden. Jahrelang sei um den heißen Brei herum geredet worden, kein Politiker wollte sich bei einem Scheitern des Projektes den Vorwurf der Innovationsfeindlichkeit anhören müssen.

Selbst Bahnchef Mehdorn hatte noch kurz vor seinem Amtsantritt den Schnellzug mit glühenden Worten gelobt. Jetzt, als Verantwortlicher mit nackten Zahlen konfrontiert, schiebt er die Pläne aufs Abstellgleis.

Auch für Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, ist der Vorzeigeflitzer jetzt Geschichte: „Herr Mehdorn signalisiert ein klares Alternativangebot, das sich mit unseren Forderungen deckt: Wenn der kurzfristige Ausbau der ICE-Strecke zu einem Bruchteil der Kosten möglich ist, dann ist man doch bescheuert, wenn man das nicht macht.“

Angelika Mertens hält Mehdorn für einen „klugen Mann: Er hat eingesehen, dass die Bahn ganz alleine das Betriebsrisiko trägt und sich damit wahrscheinlich übernehmen würde.“ Als Hamburgerin ärgere es sie, dass die schnelle ICE-Verbindung längst stehen könne.

CDU-Transrapid-Experte Georg Brunnhuber will es besser wissen: Es sei nicht wichtig, dass die Verbindung zwischen Hamburg und Berlin dann schneller sei, sondern „dass diese wichtige, moderne Technologie“ endlich gebaut werde. Er wisse „definitiv, dass die Strecke zweispurig zwischen Hamburg und Berlin für 7,5 Milliarden und nicht, wie immer behauptet, für 9,1 Milliarden Mark gebaut werden kann“.

Ende Januar findet das entscheidende Gespräch zwischen dem Verkehrsminister, Bahn-Chef Mehdorn und dem Herstellerkonsortium in Frankfurt statt.Katharina Koufen

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