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Archiv-Artikel

Die Magie von Milka und Maggi

Marke oder No-Name? Das ist keine simple Entscheidung zwischen teuer und gut oder billig und schlecht. Moderne Verbraucher betreiben heute Cross-Shopping von Aldi bis KaDeWe. Marktforscher sehen die Marke im Trend

VON ELISABETH SCHWIONTEK

Saskia-Quelle löscht den Durst so gut wie Evian. Choco-Nussa schmeckt nicht schlechter als Nutella. Bellarom ist fast so bekömmlich wie Jacobs Kaffee – und vor allem sind die No-Name-Produkte billiger als die bekannten Marken. Geiz ist geil, auch beim Kauf von Lebensmitteln. Doch das scheint sich gerade zu ändern. Denn Marktforscher gehen davon aus, dass der Siegeszug der so genannten Handelsmarken, also der No-Names, gestoppt ist. Mehr Käufer als bisher sind wieder bereit, für die Magie von Milka, Maggi, Bärenmarke und Co. etwas mehr zu bezahlen als für Lebensmittel ohne große Namen.

„Der Weg zurück zur Marke zeichnet sich deutlich ab“, sagt Wolfgang Twardawa, Marketingleiter der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg. Jeder Haushalt kauft sowohl Marken- als auch No-Name-Produkte. Eine repräsentative GfK-Studie untersuchte das Mischungsverhältnis zwischen Marken- und No-Name-Produkten in den Einkaufskörben der Verbraucher. Das Ergebnis: Während 2002 noch 32 Prozent der Haushalte das Mischungsverhältnis zugunsten der Marke im Vergleich zum Vorjahr verändert hatten, waren es 2003 bereits 43 Prozent. Die Kehrseite: Im Jahr 2002 hatten noch 68 Prozent der Haushalte im Vergleich zum Vorjahr die Mischung No-Name/Marke zugunsten der No-Names verändert, 2003 waren es dagegen nur noch 57 Prozent. Unterm Strich sind die No-Names damit zwar immer noch die Gewinner. Doch entscheidend ist für Marktforscher Twardawa der Trend, der sich in der Untersuchung abzeichnet: Die Marke legt wieder zu.

2002 war der Marktanteil der No-Name-Produkte bei Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs wie Waschmittel und Zahnpasta auf stolze 30,8 Prozent gestiegen. „Das hängt auch mit dem Preisschock nach der Einführung des Euro zusammen“, sagt Horst Prießnitz, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Markenverbandes: „Aber inzwischen zeichnet sich eine leichte Umkehrtendenz ab.“ Für den Marken-Lobbyisten ist klar: „Die Zukunft der Marke ist gesichert.“

Auf die Verkaufserfolge der Billig-Lebensmittel reagierte die Markenartikelindustrie mit einer groß angelegten gemeinsamen Werbekampagne: „Die Marke – etwas anderes kommt mir nicht in die Tüte“. Außerdem investierten die Unternehmen verstärkt in die Weiterentwicklung der Produkte und die Schärfung ihres Profils. Vor allem die Topmarken können sich behaupten. Denn ihnen gelingt, wovon Werber träumen: Sie wecken wie auf Knopfdruck Emotionen, Bilder und Assoziationen eines bestimmten Lebensstils in den Köpfen der Kunden. Goldfield-Zigaretten rufen nun mal nicht dasselbe Gefühl von Freiheit und Abenteuer hervor wie Marlboro. Das neue Markenbewusstsein hat aber auch noch andere Gründe. Zahlreiche Verbrauchertests beweisen, dass No-Name-Produkte nicht zwangsläufig von schlechterer Qualität sind als Markenartikel. Selbst Horst Prießnitz vom Markenverband bescheinigt Aldi-Produkten „passable Qualität zu vernünftigem Preis“. Allerdings ist der „Risikofaktor“ beim Kauf von Handelsmarken höher. Enttäuschungen sind unvermeidlich: die Tafel Schokolade, die nicht schmeckt, das Papiertaschentuch, das zerreißt. Bei Markenartikeln passiert das nicht. Sie sind von gleich bleibender Qualität und machen durch diese Verlässlichkeit den Alltag leichter. „Da weiß man, was man hat“ – wenn man sich’s leisten kann.

Denn das Verbraucherverhalten ist immer auch ein Spiegel der wirtschaftlichen Situation. Der bescheidene Aufschwung, den Wirtschaftsforscher für 2004 prognostizieren, trägt dazu bei, dass etwa 50 Prozent der Haushalte in Deutschland etwas entspannter in die Zukunft sehen und einkaufen gehen. Die übrigen 50 Prozent haben nach wie vor keinen Spielraum für Markenbewusstsein und Erlebnis-Shopping. Sie bleiben darauf angewiesen, möglichst billig einzukaufen.

Neues Markenbewusstsein hin oder her: Der Discounter-Boom in Deutschland ist ungebrochen. Ein genauerer Blick auf die Entwicklung des Lebensmittelmarkts zeigt, dass das kein Widerspruch ist. Im Kampf der Discounter verliert der Branchenprimus Aldi immer mehr Marktanteile direkt an seinen schärfsten Konkurrenten Lidl. Der setzt weniger stark auf No-Name-Produkte und hat mehr Markenartikel in den Regalen.

Dazu kommt, dass Otto Normalverbraucher als Verbrauchertypus längst ausgestorben ist. Heute zu Aldi, morgen ins KadeWe – das ist für die Käufer der Gegenwart selbstverständlich. Eine Kombination aus Schnäppchenjagd und Markenbewusstsein bestimmt das Einkaufsverhalten. Im Übrigen fahren nicht nur die Verbraucher zweigleisig, sondern auch viele Markenartikelhersteller. Denn sie produzieren häufig nicht nur für den Einzelhandel, sondern auch für die Discounter dieser Welt. Manchmal unterscheidet sich die Rezeptur für das Billigprodukt von derjenigen der Marke – aber längst nicht immer.