Die Lust am geilen Überfluss

Auf der Frankfurter Konsumgütermesse „Tendence Lifestyle“ präsentieren 3.825 Anbieter nutzloses Zeug. Luxuswaren sind auch in Krisenzeiten gefragt

„Das Geschäft läuft, wenn man sich selbst einen Markt schafft“

aus Frankfurt am Main HEIDE PLATEN

Das kann wirklich kein Mensch brauchen: hochhackige Pumps in China aus Draht gebogen, in Silber, Zimt, Grün oder Rot mit Glitzerflitter besprüht. Sigrid Wieland ist Optimistin. Ihre Firma importiert Dekoprodukte und kann nicht klagen: „Die etwas gehobenere Luxusklasse ist immer noch gefragt.“ Die unnützen Drahtschuhe, die mit Spiegelpailletten besetzten Harlekins, die Keramikengel sind zu nichts nütze als dazu, die Stimmung ihrer Käufer zu heben. Das kostet den Einkäufer auf der Konsumgütermesse Tendence Lifestyle, die gestern in Frankfurt am Main begann, pro Paar Drahtstilettos 11,90 Euro, im Einzelhandel werden es dann 25 sein. Nützlichkeitserwägungen stellt Frau Wiegand nicht an, denn wenn es danach ginge, meint sie, dann wäre diese ganze, weltweit einzigartige Verkaufsaustellung mit ihren 3.825 Anbietern aus 85 Ländern komplett überflüssig.

Die Konsumenten lehren, sagt Jörg Hochmeister von der Firma Oligo, die Lampen und Leuchten herstellt, dass Geiz auch heutzutage keineswegs geil ist, im Gegenteil: „Konsum ist geil.“ Jedenfalls im Prinzip, denn: „Die allgemeine Lage ist nicht so, dass man von ansteigenden Tendenzen sprechen kann.“ Das Geschäft läuft nur, „wenn man sich selbst einen Markt schafft“. Heißt: die richtigen Ideen hat. Der diesjährige Renner bei Oligo soll ein Ostalgiker werden: das grüne und das rote DDR-Ampelmännchen als Wand- und Deckenleuchte plus dazugehöriger gesamtdeutscher Produktphilosophie: „Heute kommuniziert es eine Brücke zwischen Deutschland Ost und West und könnte auch zum Symbol eines neu gewonnenen Selbstwertgefühls für die Menschen werden.“

Die Odenwälder Firma Koziol hat den Finger am Puls der Zeit. Sie veredelt Kunststoff, kombiniert modernen Nippes mit Nützlichem. Die größeren Gegenstände sind den kleineren gewichen, kunterbunte Plastiklibellen als Schlüsselanhänger, schrille Zahnbürsten, Salzstreuer, Seifenhalter. Der Liebling der Belegschaft ist derzeit „Emma“, eine Plastikschnecke mit Fingerring, die mit einem kleinen Dorn ordentliche Segmente in Apfelsinenschalen ritzt. Pressesprecherin Jenny Düpke liebt die Produktpalette: „Wir machen den kleinen Luxus, der ein Lächeln in die Gesichter der Menschen zaubert.“ Überflüssig, aber „in einem Preisbereich, den man sich noch leisten kann“.

Auf der Messe treffen sich Kunsthandwerk und Kitsch, Edelstahldesign und Plüschambiente. Und all das, was man jahreszeitlich auch nicht unbedingt braucht. Weihnachten ist fast vorbei für die Hersteller und an den meisten Ständen schon Ostern. Allüberall türmen sich Hühner und Hasen, Enten und Gänse. Bei der Wiener Firma Peter Priess stapeln sich die Ostereier meterhoch, echt gelegte von Federvieh von Hühner- bis zur Straußengröße. Handbemalt werden sie, sagt die Hostess, in Heimarbeit in Österreich, mit Edelweiß und Enzian, Hunden und Katzen, verziert mit glitzernden Reliefs. Die sind, Einkaufspreis zwischen 2,50 und 5 Euro, „nichts für die breite Masse“. Gleich um die Ecke hält es der einzige Konkurrent etwas kleiner. Bodo Schmidt-Teuteberg nennt Priess höflich seinen „Mitbewerber“. Heimarbeit in Österreich? Das mag er nicht so ganz glauben. Er bezieht seine Eier aus Polen. Und sie sind fast kleine Kunstwerke, wenn man das denn mag: handgemalte Heiligenbildchen, Serien mit Kräutern, Blumen und Vögeln, akribisch ausgeführt wie auf alten Kupferstichen.

Der Trend sucht sich immer wieder neue Materialien. Filz ist in. Das geht so oder auch anders: wollige Ostereier und Kuscheltiere, importiert aus Nepal, oder in der eigenen Werkstatt hergestellt. Angelika Brüssel-Bruns ist streng. Sie produziert ihren Filz aus Merinowolle mit Wasser und Seife in Handarbeit und fertigt daraus Blumen, Hüte, Decken: „Mir ist einfach wichtig, dass ich nicht die Frauen und Kinder in den Billigländern ausbeute.“ Die von ihr mitgeschaffene Initiative „Fair Toy“ auf der Nürnberger Spielwarenmese habe allerdings „nicht viel gebracht“. Dass die Menschen weder ihre politisch korrekt hergestellten noch die importierten Filzereien wirklich brauchen, ist ihr bewusst. Gekauft werden sie dennoch, das „reine Gewissen“ wird mitbezahlt: „Manchmal tut man sich einfach etwas Gutes zum Wohlbefinden.“

Die Messeleitung sieht das genauso. Im Mittelpunkt des Marktes stehe, ließ sie die Anbieter wissen, „der Konsument, der selbstbewusst selektiv auswählt und kauft“. Vorwiegend seien das derzeit die „Jüngsten und die Ältesten“: „Wir fordern den Handel auf, seine bestehenden Sortimente zu überdenken, Neues auszuprobieren und die Lust auf Konsum beim Endverbraucher wieder zu wecken.“