DER PROTEST GEGEN CASTORTRANSPORTE WIRD UND SOLL WEITERGEHEN : Die Kunst der Zähigkeit
Darf man heutzutage noch gegen die Zwischenlagerung von hochradioaktivem AKW-Müll sein – trotz Atomausstiegsvertrag, knapper Kassen und Klimawandel? Man darf. Denn das Klima kann selbst theoretisch nicht von Atomkraftwerken gerettet werden, der zwischen Politik und Stromwirtschaft ausgehandelte Atomkonsens ist ein brüchiges Gebilde, und die AKW-Besitzer warten nur auf einen günstigen Moment, ihn zu kippen.
Das alles ist bekannt, kann aber angesichts all der Nebelkerzen zum Thema gar nicht oft genug gesagt werden: Stromerzeugung ist die Ursache für ein Drittel der menschlichen Treibhausgasemissionen. Selbst wenn alle AKWs durch neue ersetzt würden, wäre davon in Deutschland nur ein Drittel der Stromerzeugung betroffen. Atomfans reden also hierzulande im besten Fall von einem Neuntel der vom Menschen verursachten Erderwärmung. Weltweit wäre es noch viel weniger.
Die Wendländer wissen das und haben darüber hinaus noch einen anderen Grund für ihren Protest: Der Müll wird vor ihrer Haustür zwischengelagert. Und nach allen Erfahrungen mit Politik und Wirtschaft wird er auch dort bleiben. Denn wenn die anvisierten 17 Castortransporte in zehn Jahren beendet sein sollten, dürften dabei allein Polizeikosten in Höhe etwa einer halben Milliarde Euro angefallen sein. Wer sollte diesen Aufwand noch einmal betreiben, um die Castoren dann in eine andere Ecke Deutschlands zu verlegen? Immerhin wird ein Endlager für 100.000 Jahre gesucht, und zwar nicht etwa ein geeignetes, sondern „das geeignetste“. Für diesen Zeitraum kann man realistische Schätzungen aber nur grob vornehmen. Gorleben wird mit Sicherheit unter den geeignetsten sein. Und damit basta.
Beide Seiten können aus ihrer jeweiligen Logik nicht mehr heraus. Den Wendländern bleiben nur der Protest und die Hoffnung, bei anderer politischer Lage und anderem Stellenwert des Umweltschutzes noch einmal die Chance zur gerechtere Verteilung der AKW-Lasten zu erhalten. Die Kunst dabei wird sein, den Protest trotz der zähen Verhältnisse gewaltfrei zu halten. REINER METZGER