: Die Krisengewinner
Wegen der Wirtschaftskrise wollen viele Polen wieder Spargel stechen. Darüber freuen sich die Bauern in Niedersachsen, weil es jahrelang Engpässe gab und deutsche Arbeiter unzuverlässig sind
VON JONAS NONNENMANN
Irgendjemand profitiert immer von der Krise. In Niedersachsen sind es derzeit die Spargelbauern, die wieder genügend Arbeitskräfte für die Ernte haben. Denn seit der polnische Zloty rapide gefallen ist und Rumänien vor dem Staatsbankrott steht, wollen wieder mehr ausländische Erntehelfer nach Deutschland.
14.000 Polen und Rumänen sind laut Bundesagentur für Arbeit bereits an die niedersächsischen Landwirte vermittelt worden. Das sind rund 2.000 mehr als im vergangenen Jahr im selben Zeitraum. Gleich geblieben ist, dass polnische Staatsbürger mit 11.000 Spargelstechern den größten Anteil der Saisonarbeiter stellen. Die Rumänen folgen an zweiter Stelle.
Weil es in diesem Jahr weniger Arbeit in England und Spanien gebe sei das Interesse besonders groß, sagt Dietrich Paul, Vorsitzender der Vereinigung niedersächsischer Spargelbauern. Und wie seine Kollegen darf er sich darüber freuen, zum ersten Mal seit Jahren wieder genug Erntehelfer einstellen zu können.
Zu den Gewinnern zählen aber auch die Arbeiter. Für die gibt es in dieser Saison laut Paul eine Lohnsteigerung von rund zehn Prozent – eine angenehme Abwechslung in Zeiten von Kurzarbeit und Nullrunden. Sechs Euro betrage der tariflich festgelegte Lohn, den die meisten Bauern zahlten. Andere arbeiteten nach Akkord und würden zum Teil noch besser bezahlt. Davon wird man nach deutschen Maßstäben nicht reich. Aber: „Die Polen profitieren gerade besonders von der Arbeit hier, weil der Zloty im Keller ist“, behauptet der Landwirt.
Deutsche Bewerber gibt es auch. Allerdings hätten von den 2.700 Bewerbern aus Deutschland gerade einmal 45 an die Bauern vermittelt werden können, heißt es in der niedersächsischen Geschäftsstelle der Bundesagentur für Arbeit. Im Vergleich zu den 14.000 ausländischen Saisonarbeitern sind die Deutschen kaum erwähnenswert. Woran das liegt? Paul ist diese Frage leid, vermutlich hat er sie zu oft gehört. „Es ist einfach so, dass es nicht funktioniert“, sagt er. „Wir haben es zehn oder 15 Jahre lang versucht, aber jetzt hat sich das Thema für mich erledigt.“ Das Problem: Unzuverlässig und unbeständig seien die deutschen Arbeitssuchenden.
Dass die deutschen Arbeitslosen zweite Wahl seien, davon will Michael Köster, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Niedersachsen und Bremen, nichts wissen. Deutsche Arbeitskräfte würden vor allem „in nachgelagerten Bereichen“ eingesetzt – beispielsweise im Verkauf und Handel. Um Schlüsse ziehen zu können, müsse man deshalb erst das Ende der Saison abwarten. Köster klingt nicht allzu überzeugt, wenn er das sagt. Und räumt ein, dass es wohl schwierig würde, Deutsche zu vermitteln falls die Landwirte mit dem 90 Prozent-Kontingent der ausländischen Arbeiter auskämen. Dieses Kontingent sei noch längst nicht erschöpft, so Köster weiter.
Spargelproduzent Paul versteht nicht, weshalb es überhaupt noch solche Beschränkungen gibt. Ginge es nach ihm, dann müsste auch die Übergangsfrist abgeschafft werden, während der Menschen aus Polen weiter eine Arbeitserlaubnis beantragen müssen. Denn bis heute können diese sich nicht auf die Freizügigkeitsregelung der EU berufen – genauso wenig wie Slowenen, Tschechen und Rumänen.
Ursprünglich war geplant, die Ausnahmeregelung noch in diesem Jahr auslaufen zu lassen. Doch dann kam die Krise und die Bundesregierung verlängerte die Hürden bis Ende 2009 – unter anderem, um die heimische Wirtschaft zu schützen. Aber wer soll da geschützt werden? Die Spargelindustrie zählt sicher nicht dazu. Fraglich ist auch, ob die Quoten-Deutschen wirklich Arbeit auf den Feldern finden werden.