Die Kanzlerin und die CSU: Merkels bayerischer Triumph
Egal wie die Bayernwahl am Sonntag ausgeht - die Kanzlerin steht als Siegerin schon fest. Merkels Modernisierungskurs hat die konservative CSU nichts mehr entgegenzusetzen.
Niemand soll sagen, die Kanzlerin habe sich nicht mit voller Kraft eingesetzt. Am Freitagnachmittag wird Angela Merkel auf dem Münchener Marienplatz zum Abschluss des CSU-Wahlkampfs sprechen, fünfmal wird sie dann insgesamt in Bayern aufgetreten sein. Im schwäbischen Neu-Ulm sprach sie ebenso wie im fränkischen Schweinfurt oder Bamberg, an diesem Donnerstag auch im oberbayerischen Ingolstadt.
Immer lobte Merkel die Erfolge der Schwesterpartei, immer sagte sie mit geringen Variationen diesen Satz: "Der Bund muss erst noch dahin kommen, wo Bayern heute schon steht." Das ist ein zweifelhaftes Kompliment. Weil Merkel damit zugleich sagt: Wir in Berlin müssen unseren Haushalt erst noch in Ordnung bringen, wir können nicht die Pendlerpauschale wieder einführen, wie es sich die CSU im Wahlkampf wünscht. Weil sie damit die Reformen des gestürzten Ministerpräsidenten Edmund Stoiber lobt, den das aktuelle Führungsduo wegen der mangelnden Popularität ebendieser Politik zu Fall brachte.
Überhaupt erweckt die Kanzlerin in diesen Tagen nicht den Eindruck, als bereite ihr die Wahl in Bayern ernste Sorgen. Merkel hat längst gewonnen, auf welchem Wert auch immer die schwarze Säule am Sonntagabend stoppt.
Sollte sich die CSU unerwartet gut behaupten - dann wird es vor allem der Bonus der Bundeskanzlerin gewesen sein, der die kriselnde Partei gerettet hat. Schon auf dem Nürnberger Wahlparteitag der Christsozialen im Juli war sie der unbestrittene Star, die Auftritte der Bayern Beckstein und Huber gerieten zu Darbietungen einer Vorgruppe, die auf der Gitarre noch die Griffe übt. Längst vergangen sind die Zeiten, als es umgekehrt war, als man bei der Union von einem Bayernbonus und einem Bundesmalus sprach.
Sackt die bisherige bayerische Staatspartei aber unter die magische Marke von fünfzig Prozent ab, verliert sie gar die absolute Mehrheit der Landtagssitze - dann wird die CDU-Vorsitzende laut bedauern und still genießen. Ein weiteres Mal ist dann ein Unionsverband abgestraft, der sich Merkels Modernisierungskurs besonders hartnäckig widersetzte. Abgestraft nicht von der Kanzlerin, darauf kommt es an, sondern vom Wahlvolk selbst. So hat Merkel es schon mit Roland Koch gemacht, dem sie wenige Wochen vor der hessischen Landtagswahl mit einem eigenen Forderungskatalog zur Jugendkriminalität beisprang. Die Wahl verlor er trotzdem, seither agiert er als treuester Unterstützer der Berliner Koalition.
Noch vor zehn Jahren galt es als unumstößliche Gewissheit, dass die CDU im Bund ohne ein sattes CSU-Ergebnis nicht gewinnen könne. Damals war die Union überhaupt nur in zwei westdeutschen Bundesländern an der Regierung beteiligt - in Bayern und in Baden-Württemberg. Das gab der CSU ein kaum zu überschätzendes Gewicht. Heute ist es umgekehrt: Die Union stellt nur in zwei West-Ländern nicht den Regierungschef - in Rheinland-Pfalz und in Bremen. Die CDU ist heute eine andere Partei, sie holt ihre Stimmen auch aus dem Norden und dem Westen.
Der Wert jener Zehntelprozente, die ein gutes Bayern-Ergebnis im vereinten Deutschland allenfalls ausmacht, wird aber auch durch das neue Fünfparteiensystem gemindert. Eine Alleinregierung, auch eine Koalition nur mit der FDP sind in fast unerreichbare Ferne gerückt. Mehr als auf die Stellen hinterm Komma kommt es deshalb auf die Koalitionsfähigkeit an. Und da ist eine starke CSU eher hinderlich als förderlich.
Das gilt auch für die Bindung neuer Wählerschichten: Waren die Konservativen aus dem Süden einst auch für manchen Nichtbayern ein Argument, die Union zu wählen, so zeigte sich spätestens bei der Stoiber-Wahl 2002 eher ein abschreckender Effekt. So viel über das Verschwinden der Konservativen in der Union geklagt wird, in der Wahlarithmetik hat es sich bislang nicht niedergeschlagen.
Zur alten Eigenständigkeit wird die CSU nach diesem desaströsen Wahlkampf nicht zurückfinden, sie wird sich zurechtfinden müssen in ihrer neuen Rolle als sechzehnter Landesverband der Union, als Teil des Merkelschen Systems. Für die Kanzlerin hat sich der Wahkampfeinsatz allemal gelohnt.
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