Die Kandidaten in Charlottenburg-Wilmersdorf: Knapp bei Kasse
Es könnte wieder Rot und Grün werden - doch die Reihenfolge ist offen
Die Kiezkultur in Charlottenburg-Wilmersdorf ist nicht von ungefähr so ausgeprägt: Der Bezirk entstand aus mehreren Landgemeinden und Dörfern. Vor zehn Jahren wurden Charlottenburg und Wilmersdorf zusammengeschlossen. Der Bezirk lebt seither vor allem von seinem Ruhm. Ansonsten nämlich ist er ziemlich knapp bei Kasse. Im vergangenen Jahr wurde die Lage so desolat, dass der Senat eine Haushaltssperre über Charlottenburg-Wilmersdorf verhängte. Fortan durften keine Maßnahmen oder Projekte mehr beschlossen werden, die Geld kosteten - die Bibliotheken durften zum Beispiel keine Bücher mehr kaufen. Die Sperre ist inzwischen aufgehoben.
Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) haben die mangelnden finanziellen Handlungsspielräume den Abschied aus der Politik erleichtert. Sie tritt nicht mehr an. Als SPD-Spitzenkandidat geht Schulstadtrat Reinhard Naumann ins Rennen. Er ist gebürtiger Charlottenburger und nennt als wichtigsten Wahlkampfslogan spontan - wen wunderts - : "Die lebenswerten Kieze erhalten".
Zur Beteiligung der Anwohner in ebenjenen Kiezen steht im SPD-Wahlprogramm indes lediglich, dass das "bisherige Konzept einer aktiven Bürgerbeteiligung" weiterentwickelt werden soll. Ein "Bürgerhaushalt" ohne Haushaltsmittel ist eben schwer zu gestalten. Auch die Grünen, bisheriger Partner der SPD in einer Zählgemeinschaft, sehen das Problem der klammen Kassen. Sie wollen zumindest gemeinsam mit den Kiezbeiräten Prioritäten setzen, um Einzelprojekte zu verwirklichen. Ein runder Tisch verhindere, dass nach dem Sankt-Florians-Prinzip gehandelt werde, glaubt die Fraktionsvorsitzende Nicole Ludwig.
Die Grünen proben einen Ringtausch: Ludwig, die bisherige Fraktionsvorsitzende, kandidiert für das Abgeordnetenhaus. Und Elfi Jantzen, bislang auf Landesebene engagiert, will zurück in den Bezirk - als grüne Spitzenkandidatin hofft sie auf den Bürgermeistersessel. Jantzen und Naumann kennen sich seit Jahren, der Wettstreit dürfte fair ausgetragen werden. In Sachfragen habe die SPD in der ablaufenden Wahlperiode gut mit den Grünen zusammengearbeitet, sagt Naumann. Es gebe keinen Grund, die Zählgemeinschaft aufzukündigen, aber: "Rot-Grün, in dieser Reihenfolge".
Die CDU versucht, als Realistenpartei reinzugrätschen. So kritisiert Fraktionsgeschäftsführer Karsten Sell, dass die Ansätze zur Bürgerbeteiligung an Haushaltsentscheidungen eine Farce gewesen seien. "Man hätte den Leuten klar sagen müssen, dass gar kein Geld für ihre Anliegen da ist." Daran könne auch die CDU nichts ändern. Aber sie würde ehrlich agieren, verspricht Sell. Die CDU schickt Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler als Kandidat in den Wahlkampf. PEZ
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