■ Die Jugendarbeitslosigkeit wächst auch in Deutschland: Zahlenwunder und reale Misere
Noch ist ja alles gar nicht so schlimm, rein statistisch gesehen. Jugendarbeitslosigkeit? Bei uns doch wohl nicht! In Spanien sind immerhin 40 Prozent der jungen Leute im Alter von bis zu 25 Jahren arbeitslos, in Frankreich 30 Prozent. Dagegen nehmen sich die zwölf Prozent junger Erwerbsloser in Deutschland regelrecht friedlich aus. Noch. Aber das könnte sich ändern.
320.000 BewerberInnen sind derzeit bundesweit ohne Lehrstelle. Das ist ein Rekord. Fürs erste ist hier wieder das alljährliche Ritual zu erwarten: Im Frühjahr erklang der Alarm der Gewerkschaften, im Sommer folgen dann die Appelle der Regierung an die Wirtschaft. Aktionen wie am heutigen „Tag des Ausbildungsplatzes“, an dem die Berufsberater durch die Firmen tingeln, um noch ein paar Lehrstellen auszugraben, gehören dazu. Im Spätherbst schließlich folgt die Entwarnung: Zehntausende von jungen Lehrstellensuchern sind aus der Statistik verschwunden, weil sie aus der Not heraus in den nächsten schulischen Bildungsgang wechselten. Die Jugend wird geschickt verwaltet.
Das Problem der Zahlenwunder: Die unversorgten Lehrstellensucher stehen nächstes Jahr wieder auf der Matte und verstärken die Bewerberzahlen. Mehr Lehrstellen aber sind vorerst nicht in Sicht. Daran ändern auch die Vorschläge der Wirtschaftsverbände wenig, nach denen die Lehrlingslöhne gesenkt werden sollen. Diese Entgelte liegen heute schon unter dem Existenzminimum. SPD und Gewerkschaften schlagen vor, daß jene Unternehmen, die nicht ausbilden wollen, eine Ausbildungsabgabe berappen müssen. Keine falschen Hoffnungen: Das Beispiel der Behinderten aber hat gezeigt, daß Abgaben keine neuen Jobs bringen.
Unternehmen, die keine Facharbeiter mehr benötigen, werden auch künftig nicht ausbilden. Im Gegenteil: Das Problem wird sich noch verschärfen. Ältere müssen nach den neuen Rentenregelungen länger arbeiten und blockieren so den Arbeitsmarkt für die Jungen.
Was aus dem Jobkonflikt werden kann, zeigen die Nachbarländer. In Spanien gelten sehr umstrittene Mindestlöhne für junge Arbeitnehmer. In Frankreich führte genau jener Streit um die Niedriglöhne für Berufsanfänger vor einigen Jahren zu Straßenschlachten. Fragt sich, wo der Konflikt in Deutschland ausgetragen wird: Im Betrieb, auf der Straße oder zu Hause, wenn die Jungen unterbeschäftigt im „Hotel Mama“ hockenbleiben. Barbara Dribbusch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen