Die Iranreisen der taz : Unerwarteter Boom
Seit einem Jahr sind unsere Reisen in die iranische Zivilgesellschaft regelmäßig ausgebucht. Woher kommt dieses neue Interesse am Iran?
Seit 2010 bietet die taz in ihrem Programm taz.reisen in die Zivilgesellschaft Reisen in den Iran an. Das fing mit der Reise „Iran klassisch” an. Nachdem diese Reise erfolgreich gelaufen war, entwickelten wir eine zweite Reise nach Täbris in den Nordwesten. 2013 gab es dann bereits drei Iranreisen mit insgesamt 45 Mitreisenden.
Der große Boom kam allerdings 2014. Schon bei Herausgabe des Flyers im Dezember 2013 waren die drei „Iran klassisch”-Reisen ausgebucht! Zudem gab es auch wieder die Reise in den Nordwesten und aufgrund der großen Nachfrage erstmals eine weitere Reise: „Teheran im Ramadan”, eine achttägige Städtereise, geführt von Thomas Hartmann persönlich, dem Initiator und Leiter der taz.reisen in die Zivilgesellschaft. Insgesamt gab es in diesem Jahr 22 Reisen von der taz, von denen zehn ausgebucht waren. Fünf Reisen gingen in den Iran, vier davon waren ausgebucht.
Innenpolitische Liberalisierung und Entspannung im Atomstreit
Thomas Hartmann hat Ideen, woher dieses verstärkte Interesse kommen mag: „Der Grund für diesen Boom war offenbar, dass es im November 2013 auf internationaler Ebene ein Arrangement gab, welches die Atomwaffen-Kontroverse löste. Somit bestand die Angst, dass Israel eingreifen könne, nicht mehr. Zudem wurde der neue Präsident Hassan Rohani im Westen als liberaler wahrgenommen als sein Vorgänger. Diese beiden Elemente –Hoffnung auf innenpolitische Liberalisierung und Entspannung im Atomstreit – ließen die Menschen sicherer fühlen.”
2014 haben einige TeilnehmerInnen sogar ihre Israelreise mit der Begründung abgesagt: Wir fahren lieber in den Iran, das ist sicherer.
Grundsätzlich kann man nicht sagen, dass es den oder die typischen taz-Reisenden gibt. „Das Klientel ist völlig unterschiedlich. taz-Reisende sind meist 35 bis 75 Jahre alt. Wobei das Hauptgewicht bei Leuten zwischen 50 und 60 Jahren liegt”, erklärt Thomas Hartmann. Wenn er vom Iran spricht, gerät er schnell ins Schwärmen: „Der Iran ist ein sehr schönes Land, das hat sich wohl herumgesprochen. Dort gibt es eine wirkliche Hochkultur und fantastische Bauten, zum Beispiel in Isfahan und Shiraz, wo wir mit unserer klassischen Route Station machen. Die Menschen im Iran sind sehr offen Fremden gegenüber. Offener als in anderen Ländern der arabischen Welt.”
Näher, als viele denken
Vorurteile bezüglich der islamischen Kultur bestätigen sich nicht: „Die iranische Kultur liegt uns viel näher, als viele denken. Es ist eine sehr ausgefeilte und reife Kultur! Die Menschen leben in der selben Kulturtradition wie wir. Ein Großteil der Bevölkerung ist aufgrund der Verbindung von Staat und Religion sehr distanziert, was die Religion betrifft. Viele halten Ramadan und verhalten sich islamisch, doch sie leben ihre Religiosität für sich. Nach 30 Jahren islamischen Staats sind sie überhaupt nicht missionarisch, sie haben genug von dieser verordneten Religiosität”, berichtet Thomas Hartmann. Auch wenn Frauen ein Kopftuch tragen müssten, sei das keine Einschränkung. Oft sei es nur ein sehr dünner Schal, der weit nach hinten rutsche. Sobald man ein Haus betrete, sei es auch damit vorbei. Weitere Verhaltensregeln für Frauen gibt es nicht. Auch alleinreisende Frauen würden nur Positives berichten.
Im Jahr 2015 bietet die taz sieben Iranreisen an, also noch einmal zwei zusätzliche im Vergleich zum Vorjahr. Dreimal gibt es „Iran klassisch”, einmal je „Iran literarisch”, „Teheran im Ramadan” und „Iran Nord-West” und ganz neu „Iran spezial” zu religiösen und sozialen Pilgerstätten. Einige dieser Reisen sind bereits ausgebucht, in anderen gibt es noch wenige Plätze. Auf Wunsch von Interessenten hat die taz deshalb schon die Termine für 2016 veröffentlicht, weil sie davon ausgehen muss, dass diese Reisen schon in diesem Jahr ausgebucht werden!
Ein handgemachtes Unikat
Dieser Boom bei Iranreisen war nicht nur bei der taz so, sondern war in der gesamten Reisebranche zu beobachten. Normale Reisebüros können bei einem solchen Phänomen beliebig viele Reisen zusätzlich ins Programm nehmen, die taz-Reisen können das nicht. Hier ist jede Reise ein handgemachtes Unikat. Die Gesprächspartner vor Ort können nicht jede Woche mit deutschen Touristen besucht werden, dreimal pro Jahr ist das absolute Maximum. Die Ausweichstrategie der taz ist dann, neue Reisen und neue Routen zu entwickeln.
Die Iraner, denen die taz-Reisegruppe auf ihren Reisen begegnet, freuen sich über das Interesse an Land, Leuten und Kultur. Ein Großteil der iranischen Mittelschicht hat Verwandte in Europa oder den USA, es ist keine Besonderheit, viel Kontakt nach außen zu haben: „Es ist wie früher mit der DDR: Die DDR kennt die westliche Kultur, aber die anderen kannten die Kultur der DDR nicht”, sagt Thomas Hartmann.
Viele Iranerinnen und Iraner sprechen heute Englisch. Sowohl die ausgewählten GesprächspartnerInnen, die im Rahmen der taz-Reise getroffen werden, als auch Zufallsbekanntschaften auf der Straße.
Rabenfrauen gehören der Vergangenheit an
„In unserem imaginären Gedächtnis steht der Iran immer für diese Rabenfrauen. Diese schwarzen, tiefverschleierten Frauen. Das hat sich bei vielen festeingegraben. Ein paar alte Ayatollas, die gegen die Frauen geifern. Doch das entspricht nicht dem Straßenbild der Städte von heute! Das ist eine Kultur, die sich durchaus mit westlichen Werten auskennt”, erklärt Thomas Hartmann. Er hat auch den Eindruck, dass die deutschen Touristen die beliebtesten Europäer im Iran sind und führt das auf die kulturgeschichtliche Kommunikation zurück. In der Geschichte gab es viele kulturelle und wirtschaftliche Kontakte zwischen Deutschland und dem Iran. Außerdem sind natürlich die deutschen Fußballer bekannt, man wird immer wieder nach Beckenbauer, Götze und Schweinsteiger gefragt. Auch deutsche Marken wie Mercedes und BMW sind beliebt.
NICOLA SCHWARZMAIER