■ Die Info-Gemeinschaft Münzspiel lud zur Diskussion: Wer Sucht sucht, der findet
Berlin (taz) – Die Informationsgemeinschaft Münzspiel (IMS) – der Lobbyverein der Münzspielbranche – hatte in der letzten Woche Journalisten und Psychologen in Berlin zur Diskussion ums Thema Spielsucht geladen, und selbst Dr. Gerhard Meyer von der Universität Bremen war in die Höhle des Löwen gekommen.
Meyer ist es zu verdanken, daß in Deutschland Münzspielgeräte (Groschengräber) und damit verknüpft Spielsucht Anfang der 80er Jahre zum Thema wurden. Er bedankte sich dann auch artig beim Veranstalter, IMS-Chef Warneke, daß er erstmalig zu einem solchen Seminar geladen wurde, um dann im nächsten Satz gleich unter die Gürtellinie zu langen. Auf solchen Seminaren kämen ja sonst nur Wissenschaftler zu Wort, die im Auftrage der Automatenindustrie forschten und die natürlich auch zu entsprechenden, für die Branche freundlichen, Untersuchungsergebnissen kämen.
Diskussionsleiter und Freizeitforscher Prof. Dr. Leo Baumanns, ein gern gesehener Gast bei den seit mehreren Jahren stattfindenden IMS-Journalistenseminaren, reagierte mit Kontrollverlust und Tritten gegen das Schienbein: Wo sei denn bitte der Unterschied zwischen der Finanzierung eines Forschungsauftrages durch die Industrie oder die Vermittlung von Forschungsgeldern durch eine befreundete Staatssekretärin, fragte er frech. Außerdem ließ er immer wieder durchblicken, daß die Uni Bremen nicht gerade den besten wissenschaftlichen Ruf genieße.
Nachdem man so einen gemeinsamen Nenner der Ausgrenzung – ein Süchtiger gegen vier Neurotiker – gefunden hatte, versuchten sich die Diskutanten im Argumentieren. Gerhard Meyer führte aus, daß mit der Zunahme der Münzspielautomaten auch die Spielsucht zugenommen habe. Durch die Griffnähe der Münzautomaten habe die Sucht vor allem junge Menschen erreicht. Über die Verknüpfung von Spielabläufen sei es der Automatenindustrie gelungen, neue Spielsysteme wie Sonderspiele und Risikotasten zu entwickeln, die hohe Gewinne von über 250 Mark zulassen und nicht nur drei Mark, wie die Branche gern behaupte. Für ihn ist aufgrund dieser strukturellen Merkmale das Automatenspiel inzwischen zu einem Glücksspiel avanciert. Als Zugabe nannte er die Zahl von 160.000 süchtigen Spielern in der Bundesrepublik. Andere Wissenschaftler kommen bei ihren Schätzungen gerade mal auf 8.000.
Niemand in der Runde wollte bestreiten, daß es krankhaftes Spielen gibt. Dr. med. Hans Ludwig Kröber, Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg, nannte zwar Meyers Ausführungen eine Predigt, mit der er bekehren und nicht wissenschaftlich argumentieren wolle, bestätigte aber durch seine Beobachtungen an krankhaften Spielern vieles von Meyers Worten. Nur der Begriff „Sucht“ wollte keinem der anderen Psychologen so recht über die Lippen. Dr. rer. nat. Andreas Schulze, Leiter der Suchtberatung in Wolfsburg, sprach das klarste Wort. Die Weltgesundheitsorganisation definiere Sucht als Abhängigkeit von Stoffen. Bei Geldspielautomaten vermisse er diese stoffliche Abhängigkeit. Deshalb therapiere er die Menschen, die zu ihm kommen, nach dem Neurosenmodell. Dem krankhaften Spielen liege eine psychische Störung – zum Beispiel Beziehungsprobleme – zugrunde, die müsse behoben werden, dann höre das Spielen von alleine auf, und er habe damit zu 60 Prozent Erfolg.
Viele der von der Diskussion abhängigen Journalisten mußten am Ende feststellen, daß sie eher verwirrt als aufgeklärt aus dieser Debatte herauskamen und daß sich klare Standpunkte zur Sucht zu Glaubensfragen reduzierten. Peter Huth
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