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Die Herrscher der Planetarien

■ Die „Dry Halleys“ sind nach langem Herumkriseln wieder niedergekommen / Heute: Record-Release-Party

Für Bremens erfinderische Kometen-Kombo läuft der Countdown — heute abend präsentieren die Vier ihr just erscheinendes Album „True Slave“. Zwei Jahre lang hatte man wenig von der Kapelle mit dem Weltraumtick gehört, die immer zu irgendwelchen Videos oder Performances aufspielten, aber profane Club-Gigs meist verschmähten.

Die Geschichte der Halleys war von Anfang an wechselhaft verlaufen: Keyboarder Andre Szigethy alias Alpha Halley und Ex-Shizzo Flamingo Harald Heitmeier, der Delta Halley, hatten 1986 eine erste Single veröffentlicht. Ein Jahr später inszenierten sie mit ORF-Geldern für das Fernsehen eine Schwarze Messe mit dem Chef-Satanisten Joseph Dvorak; die deutschen Wohnzimmer waren entsetzt, die Medien auch.

Beim „3. Halleyistischen Weltkongreß“ auf der Breminale '90 wurde dem Publikum ein Multimedia-Spektakel geboten, das die zwar sehr abgefahrenen, aber kaum genießbaren Elektro-Experimente der Band in der Tradition von Tangerine Dream oder Klaus Schulze in einen fiktiven gesamtkosmischen Kontext setzte.

Mit Amir Soukie, unter dem Pseudonym Amir Arab für Lärm und Drums verantwortlich, begannen die Halleys, songorientierter, kompakter zu arbeiten. Nach dem hochgelobten Album „Crash Landing Chemistry“ aber legten der Ausstieg von Gitarrist Peter Apel und das Projekt vorerst auf Eis.

„Direkt von der Reservebank“, auf der er als Tourvertretung für den agilen Apel lauerte, kommt nach eigenen Angaben Neugitarrist I.K.U., bürgerlich Michael Skrzypczak, der die Tradition ungewöhnlicher Nachnamen bei den Halleys fortsetzt. Er ist seit einem Jahr dabei, hat mit den Songs auf „True Slave“ noch nicht viel zu tun. Das Album ist ein Sammelsurium älterer Songs aus der Ruhephase der Band, laut Amir ein „Zeitdokument, das erscheint, bevor wir uns von dem, was wir gemacht haben, zu weit entfernen.“

„True Slave“ ist das Dokument einer Band im Umbruch, vielseitig, beinah zerrissen. Altes, sphärisch ausuferndes Material trifft auf tanzbare Stücke, schwere Industrialbeats lösen das gitarrenlastige Titelstück, eine Abrechnung mit dem karriereorientierten Metropolenleben, ab. Amir: „Bislang lebten die Halleys viel von Klangkollagen. Jetzt sind sie dank Michael kompakter: weniger Soundgetüftel als Songorientiertheit.“ Das macht neugierig für die im Februar geplante Veröffentlichung des ersten Albums der neuen Halleys. Manager Olli spricht gar von „Massenkompatibilität“. Davon jedoch sind die sperrigen, unbequemen Soundtüftler im Moment noch Lichtjahre entfernt.

Mit der neuen Plattenfirma SPV scheint Amirs Ziel, „mit der Band aus Bremen rauskommen“ durchaus machbar. Aber noch immer sind die Halleys keine Band wie alle anderen. Die Zusammenarbeit mit Künstlern oder Filmleuten, die Herausforderung, das musikalische Spektrum durch das Einbeziehen anderer Medien zu erweitern, ist für die Halleys immer noch notwendig. Michael: „Wie du Lieder spielst, hängt sehr vom Umfeld ab.“ Folglich bemühen sich die Halleys darum, auf ihrer nächste Tour ausschließlich in Planetarien zu konzertieren. Amir:“Wir haben nichts gegen Clubs, aber wenn es sich irgendwie vermeiden läßt...“ L.R.

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