: Die Herren der Fliege
Eichborn befindet sich in einer Krise – und das nicht nur, weil der Erfolgsautor Walter Moers den Verlag verlassen hat. Der ehemalige Rowohlt-Chef Peter Wilfert soll das Haus sanieren. Wird der gute Ruf des Verlages Geschäftsinteressen geopfert?
von JÖRG SUNDERMEIER
Der Eichborn Verlag macht eine Krise durch. Vito von Eichborn, der den „Verlag mit der Fliege“ 1980 gemeinsam mit Matthias Kierzek gründete, hat das Haus verlassen, und der Verlag musste diverse so genannte Umstellungen vornehmen und Reihen wie „Gatza bei Eichborn“ aus dem Programm nehmen.
Es ist nicht die erste Krise für Eichborn. Doch anders als bei den bisherigen Krisen ist das Unternehmen, das als einziger Verlag in Europa an der Börse notiert ist, diesmal auch in das Blickfeld der breiten Öffentlichkeit geraten: In dem mittelständischen und noch immer konzernunabhängigen Verlag, der für das vergangene Jahr einen hohen Verlust meldete, rebellieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Zurück zum Kerngeschäft
Nachdem Matthias Kierzek, der die kaufmännische Leitung innehat, den einstigen Rowohlt-Chef Peter Wilfert im Dezember in den Vorstand berief, fühlte sich Verlagsleiter Wolfgang Ferchl entmachtet. Er wechselte zum Piper Verlag. Ebenfalls kündigte Susanne Klein, die für die wirklich hervorragende Pressearbeit gesorgt hatte. Und wegen Ferchl ging dann auch Walter Moers, dessen „Das kleine Arschloch“-Bände sich millionenfach verkauft haben, zu Piper.
Moers, der zehn Prozent der Aktien hielt, verkaufte seine Eichborn-Aktien im Januar an die Fuldaer Verlagsagentur. Ein offener Brief der Verlagsmitarbeiter, in dem sie Kierzek das Misstrauen aussprachen, sorgte für Spannungen. Medienrummel gab es aber wohl auch deshalb, weil die AG, anders als andere Verlage, ihre Geschäftszahlen offen legen muss. (Inwieweit das vergangene, von einer Buchhandelskrise geprägte Jahr für vergleichbare mittlere Verlage tatsächlich eine Katastrophe war, bleibt deren Geheimnis.)
Im Eichborn Verlag ist man nun um Beruhigung bemüht. „Das Unternehmen wird sich in Zukunft auf das Kerngeschäft Verlag konzentrieren. Die Eichborn AG wird daher das Harry-Potter-Merchandising beenden und sich aus den Beteiligungen in den Geschäftsfeldern Karriererat und Film/Musik konsequent zurückziehen“, heißt es im Quartalsbericht der AG. Wilfert dagegen zeigt sich kämpferisch. Er wolle Eichborn „zu einem der führenden Publikumsverlage Deutschlands“ machen und denke nicht daran, das Verlagsprogramm stark zu beschneiden.
Das Feuilleton traut Peter Wilfert nicht. Denn wenngleich der derzeitige Rowohlt-Verleger Alexander Fest und seine Arbeitgeberin, die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, stets betonen, dass Wilfert den Rowohlt Verlag bis 2002 erfolgreich saniert habe, so vergessen die Redaktionen doch nicht, dass dieser Sanierung ein Exodus folgte – profilierte Autoren wie Elfriede Jelinek und Imre Kertész verließen den Verlag. Man befürchtet, dass Wilfert Eichborn eine Ochsenkur verschreiben werde.
Der Verlag ist für den „Eichborn-Spagat“ berühmt, mit dem er es schafft, durch eine Mischung aus ambitionierter Literatur und manchmal sehr angestrengt lustigen Publikumsbüchern zu überleben. Wilfert würde sich nun, so mutmaßen die Literaturredakteure, an der von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Reihe „Die Andere Bibliothek“ ebenso vergehen wie an dem Berliner Teil des Verlags, in welchem in diesem Frühjahr Bücher von Max Aub oder Samuel Pepys erscheinen – und der erst unlängst Schlagzeilen machte, weil er das wunderbare Buch „Morbus Fonticuli“ des Autors Frank Schulz, das mit dem Haffmans Verlag vom Markt verschwunden war, mit nicht geringem verlegerischem Risiko wieder herausgebracht hatte.
Doch im Gegensatz zu den Feuilletons muss Kierzek rechnen. Der Eichborn Verlag hatte sich, wie all die anderen Unternehmen auch, die an das Versprechen Börse und an die gigantischen Gewinne am Neuen Markt glaubten, mit Beteiligungen verzettelt und sich in Medienfirmen eingekauft, die sich nun zum Teil in der Liquidation befinden. Zudem hatte man sich an den Harry-Potter-Erfolg, wenn man schon nicht die Buchrechte hatte, mit Merchandise-Artikeln anhängen wollen. Der Versuch ist gescheitert.
Jetzt sind die Verluste hoch, Walter Moers ist unersetzlich, allerdings hat Eichborn ein gewisses Polster. Anders als Internetfirmen, die nach ihrer Pleite oft kaum mehr als eine nicht mehr aktualisierte Website hinterlassen, hat Eichborn eine sehr interessante Backlist und Lagerhäuser voller Ware, mit deren Verkauf sich das Unternehmen über Wasser halten wird. Für das Frühjahr kündigt der Verlag Bücher wie „Eine Frau verrät ihrem besten Freund, was Frauen wirklich antörnt“, „Das Reste-Kochbuch“ oder den „Generation Ally Lifestyle-Guide“ an, die gute Chancen haben, Verkaufserfolge zu werden.
Auf dem Rücken der Belegschaft
Doch genauso wie bei den Internetfirmen wird auch bei Eichborn der Verlust und das Scheitern der hochfliegenden Pläne auf dem Rücken der Belegschaft ausgetragen werden. Das ist Wilferts Aufgabe. Er hat bei Rowohlt gezeigt, dass er sanieren kann, er wird es auch bei Eichborn tun. Das bedeutet, dass erneut „Umstellungen“ vorgenommen werden.
Vielleicht werden weitere Autorinnen, vielleicht werden weitere wichtige Mitarbeiter den Verlag verlassen, sterben wird der Eichborn Verlag daran nicht. Schwindet sein guter Ruf? – Peter Wilfert ist alles andere als dumm. Er kündigte an, internationale Literatur stärker im Programm unterzubringen und die einzigen Verlagsteile unabhängiger voneinander arbeiten zu lassen. So müssen sich die Reihen bei Eichborn nun noch stärker selbst profilieren und werden, sofern sie Verluste bringen, vielleicht abgewickelt. Mit Wilferts Einstellung gegenüber Literatur hat das nichts zu tun. Er ist einfach ein guter Geschäftsmann.