: Die Helden vom Sahnpark
■ Der ETC Crimmitschau aus Sachsen wurde bayerischer Eishockeymeister
Crimmitschau (dpa) — Der bayerische Meister der Saison 1991/92 kommt nicht aus Bayern. Der ETC Crimmitschau brachte das Kunststück fertig, bereits im zweiten Jahr seiner Zugehörigkeit in der Bayernliga den Titel nach Sachsen zu holen. In zwei spannenden Finalspielen schlugen die Crimmitschauer den ERC Hassfurt nach einer 5:6-Hinspielniederlage mit 7:4 nach Penalty-Schießen. Was folgte, war eine „Party on Ice“ mit 6.000 Gästen.
Eishockey gehört seit 1922 zu Crimmitschau wie die Kohle zum Ruhrpott. Jahrelang deutsche Eishockey-Hochburg, wurden die Sachsen 1970 durch das von oben verordnete Aus tief in den Keller hinabgestoßen. Nach der Wende fanden die Crimmitschauer beim Bayerischen Eishockey-Verband (BEV) offene Ohren und wurden entgegen den Statuten aufgenommen. Für den von der DDR-Sportführung zwanzig Jahre lang unterdrückten Verein ist dieser Erfolg ein Meilenstein auf dem Weg zu alten Leistungsregionen.
Nach dem Titelgewinn ging der erste Dank von Präsident Bertfried Breuninger an die bayerische Adresse. „Durch die spontane Aufnahme in den geregelten Wettkampfbetrieb wurde unser längst verloren geglaubtes Potential wiedererweckt.“ Der ETC ist in dieser Partnerschaft aber längst nicht mehr nur der nehmende Teil. Der Publikums- Krösus der Bayernliga mit einem Durchschnittsbesuch von 4.000 Zuschauern bringt dank seiner Fans auch Geld in die Vereinskassen anderer Vereine. Kein Wunder also, wenn der Spielgruppenleiter des BEV, Fritz Gößwald, alle Spekulationen um eine weitere Gastspielgenehmigung vom Tisch fegt. „Der ETC Crimmitschau ist in der Bayernliga immer willkommen.“
Für die Region bedeutet dieser Erfolg einen enormen Auftrieb — nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich. Mit den Leistungen kommen die Medien und in deren Sog die Werbung. Vor Saisonbeginn noch ohne Sponsoren, hat die Wirtschaft längst den großen Werbeeffekt erkannt. Der Etat von 200.000 Mark konnte so abgedeckt werden. Und auch für die nächste Saison scheint der Verein das Heu bereits eingefahren zu haben. „Ich sehe keine Probleme, den Etat wieder zu decken“, meinte Vizepräsident Rüdiger Brüssok.
Ob die Crimmitschauer dann noch in der Bayernliga spielen, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Da kämpfen die „Helden vom Sahnpark“ um den Aufstieg in die Regionalliga. Mit einer enthusiastischen Fangemeinde im Rücken, scheinen die Sachsen nicht chancenlos. Die 6.000 Zuschauer verwandelten zum Finale das Eisstadion in einen Hexenkessel, was selbst den unterlegenen Spielertrainer Tray Tuomie zu der Aussage verleitete: „Ein einzigartiges Schauspiel. Ich bin froh, daß ich das einmal erleben durfte.“
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