■ Die Havarie der „Pallas“ im Wattenmeer war vermeidbar: Schlamperei und Kompetenzwirrwarr
Man stelle sich vor: Ein Haus brennt, die Meldung geht bei der Feuerwehr ein, aber statt einen Löschzug zu schicken, streiten sich erst mal sechs Feuerwachen, was denn nun zu unternehmen sei. Man stelle sich vor, die Flammen nähern sich inzwischen dem Nachbarhaus, die Feuerwehr kommt und geht erst mal in die nächste Telefonzelle, um den Hausbesitzer zu fragen, ob sie denn nun löschen darf. Schließlich stelle man sich vor, die Feuerwache habe nur den kleinen Löschzug geschickt, um zu testen, ob der ausreicht. Als endlich der richtige Zug eintrifft, ist es schon zu spät: Auch das Nachbarhaus brennt.
Schwer vorzustellen? Richtig. Aber man mache aus dem Haus bloß einen Holzfrachter namens „Pallas“, aus dem Nachbarhaus das Wattenmeer vor Schleswig-Holstein und aus den sechs Feuerwachen die Bund-Länder-Einsatzleitergruppe zum Schutz der Küste – und siehe da, es ist gerade erst passiert.
Das Schiffsunglück vor Amrum war vermeidbar. Auslöser war eine Verkettung von Schlamperei und Kompetenzwirrwarr: ein Frachter unter Billigflagge mit entsprechend dürftigen Sicherheitsstandards, eine unselige Kompetenzvermischung zwischen Bund und Ländern, deren Einsatzgruppe alle Entscheidungen einstimmig fällen muß, eine alte Bundesregierung, die den einzigen kräftigen Schlepper „Oceanic“ gerne ausmustern und beweisen wollte, daß es zwei kleinere Schlepper auch tun, und ein grüner Umweltminister in Schleswig-Holstein, der entweder nicht den Mumm hatte oder nicht genug Interesse, die Sache an sich zu reißen und rasch einen Krisenstab zu bilden, als das Problem vor seiner Küste gestrandet war.
Das „Pallas“-Unglück lehrt dreierlei: Zuerst braucht es eine Art mobile Einsatzgruppe, organisiert wie eine Feuerwehr statt wie ein Finanzamt, am besten unter Leitung des Bundes. Zweitens sollte der Bund das besonders empfindliche Meeresgebiet in der Nordsee als solches nach internationalem Recht anerkennen lassen. Das ermöglichte es, auch außerhalb der 12-Meilen-Zone auf havarierte Schiffe zuzugreifen. Und drittens sollten angemessene Sicherheitsauflagen für Schiffe durchgesetzt werden. Was an Frachtern auf den Meeren unter Billigflagge kreuzt, dürfte, wenn es Flugzeuge wären, wegen Sicherheitsmängeln nirgendwo landen. Durch Vorschriften in ihren Häfen könnte die EU die internationalen Standards verbessern – ähnlich, wie es die USA beim Flugverkehr tun. Dies sollte Bundesumweltminister Trittin schon mal auf die Tagesordnung für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft setzen. Matthias Urbach
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