Die Grünen sind endlich angekommen: Genosse Trend geht nach rechts
betr.: „Die Grünen lieben sich doch alle“, taz vom 26. 6. 00
Ich las letzte Woche bei euch den offenen Brief der IPPNW und bin seitdem völlig konfus. Wie können die Grünen etwas vertreten, bei dem es doch offensichtlich ist, dass es sich um keine gute Lösung, wenn nicht um eine Verschlechterung handelt? Schließlich ist die Atomkraft kein Kinderspielzeug. Ich habe wirklich Angst davor, bald auch ein Opfer zu sein, denn seit dem „Konsens“ scheint mir das realistischer denn je. LINA HAAK, 16 Jahre
Die Falle ist zugeschnappt. Die Strategie von Schröder (und vielleicht Clement) ist aufgegangen: Die Bündnisgrünen werden sich selbst entleiben. Wie in seiner zweiten Legislaturperiode in Niedersachsen, wird Schröder demnächst alleine – oder mit der FDP – regieren können. Desgleichen in NRW. Genosse Trend geht nach rechts. [...]
Atomenergie bleibt lebensgefährlich und eine in Kauf genommene Körperverletzung. Die beste Lösung wäre die Enteignung der Stromkonzerne, wie sie das Grundgesetz im Interesse des Gemeinwohls vorsieht. Doch nicht einmal die PDS fordert so etwas ...
FRANK MIETHING , Berlin
Die Grünen sind endlich angekommen. Willkommen im Verein! Nun also doch endlich „erwachsen geworden“. Die Revolution findet statt – aber sie hebt sich selbst auf, als „Common-Sense“, in „Harmonie“, mit „zeitgemäßem Weltbild“, mit „K. u. K.“, mit Atomkraft und mit dem Auto. Noch was zu retten? Warum denn? Etwa Enttäuschung? Nee – war ja lange zu erwarten gewesen.
Das Projekt „Die Grünen“, das vor etwa 20 Jahren seinen Anfang nahm, hat sich immer wieder selbst großen Veränderungen unterworfen. Das macht letztlich die Stärke und den Erfolg dieser Partei aus. Die innerparteiliche Diskussion um die Innerparteilichkeit selbst hat weit über die Grenzen der Partei hinaus zu Veränderungen in der Parteienlandschaft geführt. Politische Entscheidungsprozesse und gesellschaftliche Machtverhältnisse werden heute vielfach hinterfragt. Man denke nur an die Diskussion um die Trennung von Amt und Mandant. Wie keine andere Partei haben die Grünen es dabei verstanden, innerparteiliche Differenzen und Spannungen auszuhalten. [...] Die Grünen waren in ihrer Beschäftigung mit sich selbst immer auch ein Spiegel der demokratischen Machtverhältnisse und Entscheidungsprozesse in Staat und Gesellschaft. Dieser Primat der Partei ist nun aufgegeben worden. Es gilt nun scheinbar auch hier, Politikentscheidungen zu personalisieren. Die Grünen haben ihre Türen gegenüber der außerparlamentarischen Opposition, den Bürgerinitiativen und Menschenrechtsgruppen und Anti-AKW-Bewegungen verschlossen. Die Grünen haben sich selbst nicht ausgehalten. [...]
JOST GUIDO FREESE , Düsseldorf
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