: Die Grenze des Rechts
Niederländische Umweltschützer wehren sich gegen Windkraftanlagen auf dem deutschen Ufer der Emsmündung. In Holland könnten sie klagen
VON GERNOT KNÖDLER
Eine niederländische Umweltinitiative hat sich gegen Pläne gewandt, auf dem deutschen Ufer der Emsmündung Windkraftanlagen zu bauen. Der „Stichting Windhoek“ leuchtet nicht ein, dass auf deutscher Seite anders mit dem geschützten Ästuar umgegangen werden soll als auf niederländischer. Erst kürzlich hat das niederländische Umweltministerium die Errichtung von 17 Windrädern an der Emsmündung verboten, weil sie dem Wattenmeer schadeten. Die Stadt Emden dagegen arbeitet an einem Flächennutzungsplan, der das Aufstellen von Windrädern direkt hinter dem Deich ermöglichen soll. Laut Baugesetzbuch können die niederländischen wie die deutschen Umweltverbände dagegen Einspruch erheben. Ob und wie sie dagegen klagen könnten, ist ungewiss.
Die Emsmündung und der Dollart, eine große Wattbucht kurz vor der Mündung, gehören zum Schutzgebietsnetz Natura 2000 der EU. Das Watt bietet einer Vielzahl von Vögeln die Gelegenheit zu rasten und zu fressen. Gleich am Nordrand des Gebiets, im Wybelsumer Polder, südwestlich von Emden, steht ein Windpark. Wenige Kilometer westlich, vor dem Wattgebiet Rysumer Nacken, will der Emdener Stadtrat ein Gewerbegebiet ausweisen, in dem sechs Windräder mit bis zu 135 Metern Nabenhöhe errichtet werden sollen. Das niederländische Ufer der Ems ist etwa zehn Kilometer entfernt.
In einer Eingabe an die Stadt Emden kritisiert die Stichting Windhoek, dass die hohen Windräder das Landschaftsbild des Wattenmeers zerstörten, das ja gerade durch eine „große Offenheit und Weite“ gekennzeichnet sei. Außerdem könnten die Bestände eines EU-Vogelschutzgebiets beeinträchtigt werden. Die Windräder würden als Barriere wirken, fürchtet Manfred Knake vom Wattenrat Ostfriesland. Sie verschreckten arktische Gänse, wie die Nonnengans, und Watvögel, wie den Goldregenpfeifer und den Großen Brachvogel.
„Wir befinden uns noch relativ am Anfang des Verfahrens“, sagt Eduard Dinkela, der Sprecher Emdens. Auf deutscher Seite sei das Beteiligungsverfahren abgeschlossen. „Jetzt ist die holländische Seite dran, das ist so üblich.“ Sollten deren Einwände zurückgewiesen werden, stehe es jedem, „der eine persönliche Betroffenheit vorweisen kann“, frei zu klagen.
Hier scheint für die Stichting, die ja als fest organisierte Bürgerinitiative ein kollektiver Akteur ist, der Hase im Pfeffer zu liegen. In den Niederlanden könnte eine solche Organisation gegen ein derartiges Vorhaben bis zum höchsten Gericht klagen. Das deutsche Recht sieht eine solche Möglichkeit nur unter kompliziert definierten Voraussetzungen vor. „Wenn Emden alles zurückweisen sollte, wissen wir nicht, welche Möglichkeiten wir in Deutschland haben“, sagt Hiltje Zwarberg, der Vorsitzende der Initiative aus Termunterzijl. Zusammen mit dem Vorsitzenden einer anderen Initiative bat er deshalb die niederländische Umweltministerin Gerda Verburg, zum Schutz des Wattenmeeres zu intervenieren.
Das eingeschränkte Verbandsklagerecht in Deutschland leuchtet Zwarberg nicht ein. „Was hat denn dann das ganze europäische Recht für einen Zweck?“, fragt er. „Wer verteidigt dann die Vögel?“ Auf alle Fälle erschiene es ihm unsinnig, wenn beiderseits der Grenze und damit links und rechts des faktischen Schutzgebiets unterschiedlich gehandelt würde. Notfalls will er sich bei der EU-Kommission beschweren.
Knake vom Wattenrat hält das Emdener Wind-Projekt für besonders absurd, weil der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) den deutschen Teil der Emsmündung zwar als europäisches Naturschutzgebiet nachmelden will. Zugleich aber würde der Wert des Gebietes durch die Windräder beeinträchtigt, behauptet er. Dass sich die niederländischen Windrad-Gegner gegen das Vorhaben wehren, sieht Knake als Glücksfall: „Wir haben das hier gar nicht erfahren.“