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Die Gesetze des Dschungels

■ Das Unterweltdrama „Carlito's Way“ von Brian De Palma

In einer großen Berliner Videothek hängt ein amüsanter Spruch neben der Kasse: „Aus dem Chaos heraus hörte ich eine Stimme, die sagte: ,Es hätte schlimmer kommen können, deshalb sei freundlich und lächele'. So war ich also freudlich und lächelte, und es kam schlimmer.“ Ähnlich ging es einem mit Brian De Palma. Nach den „Unbestechlichen“ (1987) konnte er sich einiges erlauben — und er tat es. 1989 kamen „Die Verdammten des Krieges“, wir lächelten über dieses Oliver-Stone-Plagiat und es kam schlimmer. „Fegefeuer der Eitelkeiten“ (1990), das Lächeln gefror. Mit „Mein Bruder Kain“ (1992) hatte der Regisseur dann endgültig seinen fetten Bonus verspielt. Das muß ihm auch klar gewesen sein, denn bei „Carlito's Way“ ging er von Anfang an auf Nummer sicher.

Die Geschichte schrieb Edwin Torres, Richter am New York State Supreme Court und Autor einiger ausgezeichneter Krimis. Eine weitere Sicherheitsgarantie war Haupdarsteller Al Pacino und auch Sean Penn war nicht gerade hinderlich. Torres, selbst puertorikanischer Abstammung, erzählt eine düstere Geschichte aus einer anderen Welt. Die Welt liegt in New York City und heißt Spanish Harlem, Barrio genannt. In diesem Mikrokosmos herrscht eine Atmosphäre von Armut, Kriminalität und Bandentum. De Palma bevorzugt denn auch dunkle Farben, viele schummrige Innenaufnahmen, viele Nachtsequenzen.

Gleich in der Anfangsszene wird Carlito Brigante zusammengeschossen — damit ist klar wohin sein Weg führen wird und die Grundstimmung des Unterweltdramas festgelegt. De Palma erzählt Carlitos Geschichte in einer Rückblende, während der Gangster auf der Bahre liegt, auf der er sterben wird. Zu dreißig Jahren Gefängnis wegen Mord und Drogenhandel wurde Carlito einst verurteilt, doch dank seines cleveren Anwalts David Kleinfeld (Sean Penn) kommt er nach fünf Jahren wieder frei. Jetzt möchte er ein ehrliches Leben führen. Aber kaum läßt er sich wieder im Barrio sehen, schon steckt er wieder mitten drin im Sumpf. Seine alten Vorstellungen von Loyalität, Freundschaft und Ehre gelten nicht mehr, jetzt heißt es jeder gegen jeden. Ein Freundschaftdienst, den er glaubt leisten zu müssen, wird ihm schließlich zum Verhängnis.

Brian De Palma ist zurück. Seine spektakulär komponierten Bilder, seine Kamerafahrten durch Räume, die wie Alpträume wirken, und auch ein herrlich spannendes Finale gibt es wieder. Lächeln wird niemand nach diesem wuchtigen Film. Karl Wegmann

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