Die Gemeinschaft „Universelles Leben“

Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.

Die großen Werbeplakate am Straßenrand fallen auf. Reh und Ente blicken treu von den Plakaten, auf denen steht: „Schau mir in die Augen! Bitte, bitte, iss mich nicht!“ Auch von Flugblättern guckt ein glückliches Ferkel. „Du isst mein Fleisch! Was passiert mit deinem?“, heißt es auf den Infoblättern, die in ökologischen Geschäften und alternativen Kneipen ausliegen. Erst der kleine Hinweis, dass weitere Informationen bei „Universelles Leben“ (UL) zu erhalten seien, offenbart, wer hinter den Plakaten und Flugblättern steckt.

Die esoterisch-christliche „Glaubensgemeinschaft“ strebt einen „Christusstaat“ an. UL hat „eher Züge einer totalitären, geldgierigen Wirtschaftssekte“, meinte schon 1998 Hans-Walter Jungen, Gründer der Bürgerinitiative gegen UL im unterfränkischen Hettstadt. Nach Gerichtsurteilen darf UL als eine „pseudoreligiöse Organisation“ mit „antisemitischen Tendenzen“ bezeichnet werden.

In Hamburg und Bremen veranstalten die „Urchristen“ der „Prophetin“ Gabrielle Witteke auch nicht bloß „tierfreundliche“ Kochkurse. Wie auch in Hannover und Oldenburg lädt UL dort zu religiösen Veranstaltungen ein. In Würzburg befindet sich das Zentrum der weltweit 10.000 „Urchristen und die meisten der etwa 3.000 deutschen Anhänger leben in den nahe gelegenen Orten Marktheidenfeld und Hettstadt.

UL unterhält eine „Christusklinik“ und „schule“, sowie Kindergärten. Zahlreiche ökologische Firmen wie „Gut zum Leben“ und „Lebe gesund“ stehen UL nahe. Dieses Tier- und Naturschutzdenken gehört fest zum Glaubenskonzept, um sich vom „Gesetz von Ursache und Wirkung“ zu befreien. „Erde, Menschen und alle Seinsformen befinden sich im großen Kreislauf der Allschöpfung“, verkündet Witteke, die sich, nachdem sie 1975 erstmals Jesus Christus in sich gehört habe, als „Posaune Gottes“ versteht.

Die unangefochtene „Prophetin“, deren Offenbarungen „absolutes Gesetz“ sind, erklärt, dass insbesondere vegetarische Ernährung und materieller Verzicht die „kosmische Energie“ harmonisch fließen ließen. Das weltliche Elend, kann UL-Publikationen entnommen werden, hätten vor allem die „kirchlich-institutionellen Machtmonopole“ verschuldet; diese dürften nach UL-Logik auch die angenommenen jüdischen Weltmachtbestrebungen verursacht haben.

„Verschwörungstheorien sind UL eigen. Nach endzeitlichen Katastrophen erwartet es die Wiederkunft Christi“, erklärt Andreas Finke von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. Über die religiösen Themen hätten sie aber kaum Zulauf. „Deshalb werben sie vor allem mit ihren Tierschutzpositionen“, betont er.

„Wir sind noch eine kleine Gemeinde“, sagt auch ein Hamburger UL-Anhänger. Von den etwa 40 Stühlen des UL-Zentrums sind 10 Plätze besetzt. Durch die zwei großen Räume, hell gestrichen und sanft ausgeleuchtet, klingt Harfen- und Klaviermusik. Jeden Freitagabend kann hier, wie in etwa 90 „Kosmischen Lebensschulen“, „zwanglos Gott erlebt“ werden.

Kurz vor 19.30 Uhr tritt besinnliche Stille ein. Live sendet das UL-Radio „Santec“ aus dem Versammlungsraum in Marktheidenfeld die Offenbarungen. Nach der Seligpreisung aus der Bergpredigt – „die da Leid tragen, sie sollen getröstet werden“ – folgen Gabrielles Erläuterungen. Man betet gemeinsam für die Menschen, die in Niger verhungern und für die Tiere, die nach der Ernte den Jägern offen ausgeliefert seien. In diesem meditativen Moment soll man sich das Leid vergegenwärtigen sowie die eigene Verantwortung erkennen.

Harmlos erscheinen diese Abende. Die Gruppe sei dennoch „totalitär“ und Witteke sei die einzige Lehrautorität, hebt Finke von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen hervor.